Wer einen Wettbewerber übernehmen möchte, der muss an den Kartellbehörden vorbei – und die schauen immer genauer hin. 2017 scheiterten 38 M&A-Deals am Veto der Behörden, hat die Kanzlei Allen & Overy in einer Untersuchung von 26 Jurisdiktionen mit Schwerpunkt auf den USA, Europa und China ermittelt. 22 Zusammenschlusse wurden verboten, die übrigen 16 von den Transaktionspartnern wegen mangelnder Erfolgschancen abgeblasen. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2016, als lediglich 31 Transaktionen an der Kartellhürde scheiterten.
Da in absoluten Zahlen mehr Deals scheiterten, wuchs auch das das Volumen der weltweit geplatzten M&A-Deals stark an und hat sich in den vergangenen zwei Jahren nahezu verdoppelt: 2016 verhinderten die Kartellbehörden Transaktionen im Gesamtwert von 69 Milliarden Euro, 2017 waren es bereits Deals im Wert von 130 Milliarden Euro.
Behörden bremsten Deutsche Börse und Knorr-Bremse aus
Der wohl prominenteste Fall eines abgesagten Deals mit deutscher Beteiligung war die gescheiterte Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE) – die EU-Kommission forderte weitreichende Zugeständnisse, doch die Briten lehnten diese ab.
Im April des vergangenen Jahres senkte die EU-Kommission zudem bei der geplanten Übernahme des Zementherstellers Cemex Croatia durch die beiden deutschen Unternehmen Heidelberg Cement und Schwenk den Daumen. Die Behörde fürchtete einen Preisanstieg im kroatischen Zementmarkt.
Schlechte Erfahrungen machte auch das Familienunternehmen Knorr-Bremse. Die Münchener hatten über ein Jahr um die Übernahme des schwedischen Konkurrenten Haldex gekämpft, im September vergangenen Jahres jedoch das Handtuch geworfen.
Kartellbehörden verhängen höhere Strafen
Viele M&A-Deals konnten die Beteiligten nur retten, indem sie Zugeständnisse gegenüber den Kartellbehörden machten: 155 Transaktionen erhielten die behördliche Freigabe erst nach Zugeständnissen. Besonders genau prüften die Behörden der Auswertung zufolge Transaktionen in den Sektoren „Industrie & Verarbeitendes Gewerbe“, „Life Sciences“, Telekommunikation sowie Transportwesen.
Verstoßen Unternehmen gegen die formalen Regeln eines M&A-Prozesses, drohen ihnen empfindliche Strafen: 2017 verhängten die Behörden in den 26 untersuchten Jurisdiktionen Bußgelder über insgesamt 164,4 Millionen Euro – ein Anstieg um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sie werden beispielsweise fällig, wenn die M&A-Parteien nur unvollständige oder fehlerhafte Daten zum Zusammenschluss bereitstellen.
Bearbeitungszeit für M&A-Deals schwankt stark
Ein großer Unsicherheitsfaktor bei M&A-Deals ist der Zeitrahmen, den die Parteien für die behördliche Freigabe einkalkulieren müssen. Immer wieder unterschätzen Unternehmen die Kartellprozesse, kritisierten zuletzt erst die M&A-Spezialisten der Deutschen Bank.
Teilweise ist das erforderliche Zeitbudget schwer kalkulierbar. In den meisten Fällen erfolgt die Freigabe innerhalb von 30 Tagen – dies sind die unkritischen Deals, die ohne Auflagen in der ersten Phase der Fusionskontrolle genehmigt werden. Bei solchen Transaktionen arbeiten die Behörden in Deutschland häufig sogar deutlich schneller: Ihre durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt mit 14 bis 15 Arbeitstagen klar unter dem Schnitt.
Schwerer lassen sich die Bearbeitungszeiten für vertiefte Prüfungen kalkulieren. Sie liegen für Prüfungen mit anschließender Freigabe ohne Auflagen zwischen 58 Arbeitstagen in der Türkei und 144 Arbeitstagen in den Niederlanden. Werden anschließend Auflagen verhängt, kann die Prüfung bis zu 229 Tage (Kanada) andauern. Auch bei Verboten von Transaktionen lassen sich die Behörden Zeit. Deals, die es nicht schaffen, werden in der Regel mindestens 100 Tage lang bearbeitet, bevor die Behörden ihr Veto einlegen.
Info
Die Kartellbehörden entwickeln sich bei M&A-Transaktionen immer öfter zum Dealbreaker. Woran Transaktionen aktuell sonst noch scheitern und wie M&A-Profis den Markt einschätzen, zeigt das aktuelle FINANCE M&A-Panel.