Die Europäische Kommission nimmt den Sigma-Aldrich-Deal unter die Lupe. Der Darmstädter Pharmakonzern Merck hatte den US-Laborausrüster 2015 für 17 Milliarden US-Dollar übernommen.
Der größte Zukauf der Firmengeschichte könnte den Darmstädtern nun Ärger einhandeln: Merck und Sigma-Aldrich sollen bei der Übernahme gegen die EU-Vorschriften für das Fusionskontrollverfahren verstoßen haben, so lautet der Vorwurf. Nach der vorläufigen Meinung der Kommission sollen sie „unrichtige beziehungsweise irreführende Informationen“ an das Gremium übermittelt haben. Das teilte die EU-Kommission am gestrigen Nachmittag mit.
Die EU-Kommission hatte die Übernahme des US-Konzerns durch das Darmstädter Unternehmen am 15. Juni 2015 genehmigt, allerdings unter einer Bedingung: Merck musste Teile des Europageschäfts von Sigma-Aldrich verkaufen, um wettbewerbsrechtliche Bedenken aus dem Weg zu räumen. Das Geschäft mit den Forschungschemikalien ging für rund 105 Millionen Euro an den US-Konzern Honeywell.
Merck soll Informationen vorenthalten haben
Rund um die Erfüllung dieser Bedingung drehen sich nun die Vorwürfe der EU. Nach Ansicht der Kommission sollen Merck und Sigma-Aldrich ihr wichtige Informationen über ein Innovationsprojekt vorenthalten haben, das eng mit dem verkauften Geschäftsbereich verbunden war. Medienberichten zufolge handelt es sich dabei um eine innovative Verpackungstechnologie. „Durch die Nichteinbeziehung des Projekts wurden die Tragfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit des veräußerten Geschäfts beeinträchtigt“, argumentiert die Kommission.
Merck soll nach Angaben der Kommission mittlerweile zugesagt haben, Honeywell eine Lizenz für die entsprechende Technologie einzuräumen, die der US-Konzern nach Ansicht der EU-Kommission von Anfang an hätte erhalten sollen. Der Schritt sei aber mit einer Verzögerung von einem Jahr erfolgt, kritisiert Brüssel. Demnach habe Merck die Zusage erst gegeben, nachdem die Kommission durch den Hinweis eines Dritten auf das Projekt aufmerksam wurde. Wer den Tipp gegeben hat, ist nicht bekannt.
Merck droht Strafe von bis zu 1 Prozent des Jahresumsatzes
Merck hat auf die Vorwürfe mit einer kurzen Stellungnahme reagiert. Man wolle die Vorwürfe prüfen und bald eine schriftliche Antwort an die EU-Kommission senden. Merck gibt sich zuversichtlich, dass die Sache schnell und „zufriedenstellend“ aus der Welt geschafft werden kann. Man habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, heißt es aus Darmstadt.
Auf die Gültigkeit des Zusammenschlusses der beiden Häuser haben die Vorwürfe keinen Einfluss. Sollte sich die Untersuchung nicht im Sinne des deutschen Unternehmens beenden lassen, dann droht der fusionierten Merck jedoch eine hohe Geldbuße. Bis zu 1 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes könnte ein Verstoß gegen die EU-Fusionsvorschriften kosten. Basierend auf Mercks Umsatz aus dem vergangenen Geschäftsjahr entspräche das etwa 150 Millionen Euro.
Merck ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit Vorwürfen aus Brüssel befassen muss. Auch die geplante Übernahme der dänischen LM Wind durch General Electric und die Übernahme von Toshiba Medical Systems durch das japanische Unternehmen Canon sind in den Fokus der Kommission geraten. Im Mai belegte das Gremium bereits den Internetkonzern Facebook mit einer Strafe über 110 Millionen Euro für Verstöße bei der Übernahme von Whats App.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.