SGL Carbon kappt endgültig seine Wurzeln: Das krisengeplagte SDax-Unternehmen verkauft sein Geschäft mit Kathoden, Hochofenauskleidungen und Kohlenstoffelektroden an den Finanzinvestor Triton.
Der Bereich ist Teil des ehemaligen Kerngeschäfts „Performance Products“, dessen Ausgliederung SGL Carbon vor gut zwei Jahren beschlossen hatte. Für den größeren, aber defizitären Teil der Sparte, das Grafitelektrodengeschäft, hatte der SDax-Konzern bereits im vergangenen Oktober mit dem japanischen Chemiekonzern Showa Denko einen Käufer gefunden.
Verkauf an Triton beschert SGL hohen Buchgewinn
Das kleinere Kathodengeschäft, das nun an den PE-Investor Triton geht, ist dagegen profitabel: Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016 erwirtschaftete es einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 30 Millionen Euro. Im Rahmen der Transaktion wird der Bereich inklusive Schulden nun mit 250 Millionen Euro bewertet, wie SGL mitteilte. Daraus ergibt sich ein Ebitda-Multiple von 8,3x.
Im aktuellen M&A-Umfeld ist das nicht gerade viel, allerdings profitiert das SGL-Kathodengeschäft kaum von marktseitigen Wachstumsimpulsen, und der Margendruck in der Ausrüstung von Stahlwerken ist seit Jahren hoch. Analysten hatten im Vorfeld daher sogar nur mit einer Bewertung von 200 Millionen Euro gerechnet.
SGL-CFO Michael Majerus kann dank des unerwartet hohen Kaufpreises aus dem Verkauf der beiden Ex-Kerngeschäfte einen Buchgewinn von rund 130 Millionen Euro bilanzieren. Der Finanzchef hat damit geliefert: Bei der Vorlage der Geschäftszahlen im März hatte er einen „deutlichen“ Buchgewinn in Aussicht gestellt.
Entsprechend freudig reagierte auch der Kapitalmarkt: Aktuell notiert das Papier bei 11,40 Euro, leicht höher als gestern. Die Commerzbank hat anlässlich des unerwartet hohen Verkaufspreises das Kursziel der SGL-Aktie von 10 auf 12 Euro angehoben.
CFO Michael Majerus muss die Schulden drastisch senken
Der Verkauf an Triton wird SGL Carbon insgesamt 230 Millionen Euro in die Kasse spülen – Geld, das Majerus bereits für den Abbau des Schuldenbergs reserviert hat: Mit dem Erlös will der 56-Jährige eine 240 Millionen Euro schwere Wandelanleihe tilgen, die mit 2,75 Prozent verzinst wird und im Januar 2018 fällig wird. Das Geld dürfte dafür gerade noch rechtzeitig fließen, denn laut SGL soll die Transaktion mit Triton im vierten Quartal abgeschlossen werden.
Aus dem Verkauf des Graphitelektrodengeschäfts nach Japan erhält SGL Carbon außerdem weitere 200 Millionen Euro – mindestens. Dieser Erlös soll in die Tilgung einer 250 Millionen Euro schweren Unternehmensanleihe fließen. Dieser mit 4,875 Prozent verzinste Bond wird zwar erst 2021 fällig, allerdings besitzt SGL Carbon eine Call-Option.
Das Closing des Deals mit Showa Denko lässt allerdings immer noch auf sich warten. SGL Carbon versichert jedoch, dass die Gespräche mit der zuständigen US-Kartellbehörden „auf der Zielgeraden“ seien. Anfang des vierten Quartals soll die Transaktion über die Bühne gehen.
SGL Carbon denkt über Deal mit BMW nach
Die Wiesbadener, deren Bonität von Moody’s und S&P mit Caa1und CCC+ jeweils tief im spekulativen Bereich gesehen wird, benötigen die Zuflüsse aus den beiden M&A-Deals dringend: Der SDax-Konzern wies Ende des ersten Quartals eine Nettofinanzverschuldung von 483 Millionen Euro aus. Das Gearing (Nettofinanzverschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital) liegt derzeit bei hohen 142 Prozent – trotz einer 180-Millionen-Euro-Kapitalerhöhung Ende letzten Jahres. Majerus strebt an, das Gearing auf 50 Prozent zu drücken.
Die Halbjahreszahlen legt das Unternehmen am morgigen Donnerstag vor. Dann wollen CEO Jürgen Köhler und Majerus auch ein Update über die strategische Neuausrichtung geben. Gestern war bekannt geworden, dass die Wiesbadener über die Komplettübernahme eines Gemeinschaftsunternehmens nachdenken, in dem SGL gemeinsam mit dem Autobauer BMW Karbonfaser herstellt. Auf diesen Markt und auf Graphit-Spezialanwendungen will sich SGL Carbon nach dem Verkauf des ehemaligen Kerngeschäfts in Zukunft konzentrieren.
Info
Der SDax-Konzern durchläuft eine harte Restrukturierung. Den Verlauf der Krise können Sie auf unserer Themenseite zu SGL Carbon nachvollziehen.
Michael Majerus begleitet die Restrukturierung seit 2014 als Finanzchef. Mehr über den Karriereweg des 56-Jährigen lesen Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Michael Majerus.