Das Management des Schweizer Spezialchemie-Unternehmens Sika sieht sich einem nicht abgestimmten Übernahmeversuch durch den französischen Baustoffhersteller Saint-Gobain ausgesetzt – und scheint dagegen machtlos. Möglich macht es die Eigentümerstruktur von Sika. Da die Transaktion noch die Freigabe der Kartellbehörden erfordert, sei das Closing spätestens im zweiten Halbjahr nächsten Jahres zu erwarten.
Hauptaktionär mit einem Kapitalanteil von 16,1 Prozent ist die Schenker Winkler Holding. Allerdings hat die Inhaberfamilie Burkhart damit Zugriff auf 52,4 Prozent der Stimmrechte. Saint-Gobain hat eigenen Angaben zufolge der Schenker Winkler Holding ein Kaufangebot über 2,75 Milliarden Franken (rund 2,3 Milliarden Euro) unterbreitet. Ein öffentliches Angebot an die 84 Prozent ausmachenden Drittaktionäre sei aktuell nicht geplant.
Laut dem jüngsten Zwischenbericht für das dritte Quartal prognostiziert das Unternehmen für das Gesamtjahr 2014 ein Ebitda-Wachstum von 8 bis 12 Prozent, bezogen auf ein Vorjahres-Ebitda von 676 Millionen Franken (rund 560 Millionen Euro). Bezogen auf die Nettoverschuldung und den gesamten Börsenwert des Unternehmens ergibt sich auf dieser Basis nach FINANCE-Berechnungen für Sika ein EV/Ebitda Multiple von rund 11x.
Saint-Gobain erhofft sich durch die Transaktion einen sofortigen positiven Einfluss auf den Nettogewinn. Ab dem Jahr 2017 will der Konzern zudem Synergien in Höhe von 100 Millionen Euro heben, ab 2019 sogar 180 Millionen Euro.
Sika-Management droht geschlossen mit Rücktritt
Das Sika-Management sowie der Verwaltungsrat lehnen den Kontrollwechsel zu Saint-Gobain ab. Die Transaktion würde zu einer „fundamentalen Änderung der Unternehmenskultur“ führen und zudem Aktienwert vernichten, da das Management die laufende Wachstumsstrategie durch den neuen Mehrheitsführer in Gefahr sieht, schreibt der Vorstand um Jan Jenisch und CFO Adrian Widmer. Die von Saint-Gobain erhofften Synergien sowie eine industrielle Logik kann Sikas Konzernleitung eigenen Angaben zufolge bei der Transaktion nicht erkennen und kündigte deshalb an, im Falle eines tatsächlichen Closings zurückzutreten.
Die Wachstumsstrategie, die das Management nun in Gefahr sieht, umfasst unter anderem den Aufbau sechs neuer Fabriken in den Schwellenländern Brasilien, Indien und Indonesien sowie in Serbien und den USA. Zudem tätigte Sika in diesem Jahr drei Akquisitionen und übernahm dabei den brasilianischen Abdichtungshersteller Lwart Quimica, den Schweizer Klebstoffhersteller Klebag sowie einen südkoreanischen Fußbodenproduzenten.
Die übrigen Aktionäre teilen die kritischen Ansichten des Managements und fühlen sich ähnlich überrumpelt. Sie schicken die Aktie auf Talfahrt, das Papier büßt am heutigen Tag fast 20 Prozent ein.
Sika hat derzeit fünf mit A- geratete Anleihen im Gesamtvolumen von 950 Millionen Franken begeben, die mit Kupons zwischen 1 und 2,875 Prozent ausgestattet sind. Der angekündigte Mehrheitswechsel löste bei den Gläubigern der Anleihen im Gegensatz zu den Aktionären vergleichsweise geringe Reaktionen aus. In der Spitze verloren die Papiere lediglich um 2 Prozent, notieren jedoch allesamt weiterhin über 100 Prozent.