Manchmal ist ein Zukauf jahrelang auf der Watchlist, und doch muss am Ende alles ganz schnell gehen: Das Geschäft des US-Unternehmens Centor beobachtete Gerresheimer schon seit vielen Jahren, bevor in diesem Sommer der Zuschlag glückte. Die Amerikaner stellen Kunststoffverpackungen und Verschlüsse für Medikamente her.
Allerdings war Centor bis vor wenigen Monaten nicht als eigenständige Einheit auf dem Markt. Als Teil eines Gesamtpakets hätte Gerresheimer das heutige Centor-Geschäft bereits 2013 vom damaligen Besitzer Rexam übernehmen können – allerdings zusammen mit Bereichen, für die die Düsseldorfer keine Verwendung hatten. „Das war für uns nicht interessant“, sagt CFO Rainer Beaujean.
Die Chance kam nach einem Eigentümerwechsel: Im Mai 2014 kaufte der PE-Investor Montagu die beiden Bereiche „Healthcare Devices“ und „Prescription Retail“ von Rexam und überführte sie in zwei getrennte Unternehmen. Der Bereich „Healthcare Devices“ firmiert seitdem unter dem Namen Nemera, der Bereich „Prescription Retail“ wurde in Centor umbenannt. Mit der Aufspaltung erfüllte sich der Wunsch der Düsseldorfer: Centor kam als eigenständige Einheit auf den M&A-Markt.
Das Auktionsverfahren war Marktbeobachtern zufolge hoch kompetitiv. Nach FINANCE-Informationen sollen bis zuletzt sowohl strategische Käufer als auch PE-Investoren im M&A-Prozess mitgeboten haben.
Centor-Deal kam für Gerresheimer in hektischer Phase
Gerresheimer ließ sich den Zuschlag für Centor einiges kosten: Der Kaufpreis liegt ohne Barmittel und Schulden bei 725 Millionen US-Dollar (etwa 650 Millionen Euro) und entspricht etwa dem 9,8-fachen des Gewinns von Zinsen, Steuern und Firmenwertberichtigungen (pro forma Ebita) der zurückliegenden zwölf Monate. CFO Beaujean und seine Kollegen sind mit festen Vorsätzen in die Verhandlungen um Centor gegangen: „Wir hatten eine klare Preisvorstellung im Kopf, die haben wir letztlich auch bezahlt“, sagt er.
Für Gerresheimer fiel die Transaktion in eine hektische Zeit: Mitte Mai gab es erste Verkäuferanfragen zur Centor-Übernahme. Zu diesem Zeitpunkt liefen bei Gerresheimer bereits Gespräche über die Veräußerung des Röhrenglasgeschäfts. Dessen Verkauf für rund196 Millionen Euro an den US-Konzern Corning kündigte Gerresheimer schließlich Ende Juni an.
Ebenfalls im Juni schlossen CFO Beaujean und sein Team die Refinanzierung eines Konsortialkredits ab. Die neue Finanzierung über 450 Millionen Euro mit fünfjähriger Laufzeit löste vorzeitig einen Konsortialkredit über 400 Millionen Euro mit Laufzeit bis 2016 ab.
In dieser Situation bot sich dann auch noch die Möglichkeit zur Centor-Übernahme. „Für die Mitglieder des Kern-Teams musste der Sommerurlaub damit ausfallen“, sagt Beaujean. Das Signing des M&A-Deals erfolgte Ende Juli, nur gut zwei Monate, nachdem die Übernahmeüberlegungen konkret wurden.
Gerresheimer will Akquisitionsfinanzierung schnell ablösen
Eine Voraussetzung für die schnelle Unterzeichnung des M&A-Deals war auch, dass Gerresheimer die Akquisitionsfinanzierung über 725 Millionen US-Dollar zügig sicherstellen konnte. Den Zukauf zahlen die Düsseldorfer vollständig über Fremdkapital. Binnen weniger Wochen musste CFO Beaujean die Finanzierung auf die Beine stellen.
Das Marktumfeld und die gute Verfassung des Unternehmens kamen dem Finanzchef dabei entgegen: „Als Investmentgrade-Unternehmen konnten wir uns die Akquisitionsfinanzierung in kurzer Zeit zu guten Konditionen sichern.“ Für die Finanzierung hat Gerresheimer mit vier seiner Hausbanken zusammengearbeitet, die alle auch im Bankenkonsortium des im Juni refinanzierten Konsortialkredits vertreten sind.
Die Akquisitionsfinanzierung ist zunächst einmal eine Brückenfinanzierung mit zwölf Monaten Laufzeit und der Option, diese einmalig um weitere sechs Monate zu verlängern. In welcher Form er die Finanzierung ablösen will, verrät CFO Beaujean noch nicht. Doch allzu lang soll es nicht mehr dauern: „Unser Ziel ist es, die Brückenfinanzierung schnellstmöglich abzulösen.“
Centor-Deal lässt Leverage steigen
In den kommenden Monaten aber liegt der Fokus in der Finanzabteilung zunächst einmal darauf, die Centor-Übernahme und den Verkauf des Glasröhrengeschäfts abzuschließen. In beiden Fällen soll dies bis zum Ende des Gerresheimer-Geschäftsjahres am 30. November passieren.
Der Deal hat in der Bilanz des Düsseldorfer Pharmazulieferers jedoch tiefe Spuren hinterlassen, der Verschuldungsgrad ist spürbar gestiegen: Zum Jahresende wird das Verhältnis von Net Debt zu Ebitda vermutlich leicht über dem Faktor 3x liegen, erwartet Beaujean. Ende des zweiten Quartals lag der Faktor noch deutlich niedriger bei 1,8x. Beaujeans Wunschvorstellung ist ein Leverage-Faktor im Bereich 2,5x.
Daher steht nun erst einmal der Schuldenabbau im Mittelpunkt. Investitionen und Zukäufe sollen aber trotzdem nicht auf der Strecke bleiben. „Kleinere M&A-Deals im Volumen von 50 bis 70 Millionen Euro sind nach wie vor möglich, wenn sich eine attraktive Gelegenheit bietet“, versichert CFO Beaujean. Einen weiteren Großzukauf im Volumen der Centor-Transaktion wird es aber wohl auf absehbare Zeit erst einmal nicht geben.
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