Seit anderthalb Jahren versucht ThyssenKrupp sein Stahlwerk im US-Staat Alabama loszuwerden, nun könnte es endlich soweit sein: Der Industriekonzern teilte gestern Abend mit, er befinde sich nun „in exklusiven Verhandlungen“ über den Verkauf der US-Produktionsstätte. Ein erfolgreicher Abschluss der Transaktion sei allerdings noch offen, hieß es in der Adhoc-Mitteilung.
Zu den Details des M&A-Deals wollte der DAX-Konzern keine Auskünfte geben, Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Kaufinteressenten aber um ein Konsortium aus dem weltgrößten Stahlkonzern ArcelorMittal und dem japanischen Stahlerzeuger Nippon Steel. Das Konsortium biete rund 2 Milliarden Euro für das US-Werk, berichtet das Wall Street Journal Deutschland und beruft sich dabei auf Insider.
Völlig überraschend käme der M&A-Deal nicht zustande: ArcelorMittal-CFO Aditya Mittal hatte bereits im Januar Interesse an dem ThyssenKrupp-Werk bekundet, die Verhandlungen waren aber immer wieder ins Stocken geraten. Zuletzt galt das brasilianische Stahlunternehmen CSN als aussichtsreichster Bieter.
ThyssenKrupp wird brasilianisches Werk wohl behalten
Für das zweite Werk der Steel Americas, das 2010 eröffnete Brammenwerk in Brasilien, zeichnet sich indes eine für ThyssenKrupp weniger schöne Lösung ab: Der Industriekonzern könnte die brasilianische Produktionsstätte entgegen der ursprünglichen Pläne nun doch noch eine Weile behalten, wie die Adhoc-Mitteilung des Konzerns impliziert: Die Gespräche mit den potentiellen Käufern für das US-Werk beinhalteten „den Abschluss eines langfristigen Brammenliefervertrags“, wodurch „eine wertsichernde Lösung für das brasilianische Stahlwerk erreicht würde“, schrieb ThyssenKrupp.
Diese Lösung hätte auch Einfluss auf die Bilanz: Bisher werden die Aktivitäten Business Unit Steel Americas dort derzeit als „nicht fortgeführt“ eingestuft. Sollte ThyssenKrupp ein Werk verkaufen und das andere behalten und fortführen, müsste sich diese Einstufung ändern. Der DAX-Konzern hat die Aufstellung des Jahresabschlusses für das abgeschlossene Geschäftsjahr 2012/2013 daraufhin nach hinten verschoben hat: Sie erfolgt nun am 2. Dezember und nicht wie ursprünglich geplant am morgigen Donnerstag.
Die Pläne für Steel Americas stammten aus dem Jahr 2004 und 2005. Gestiegene Löhne in Brasilien und die Aufwertung des Reals zerstörten jedoch das Geschäftsmodell, weshalb CEO Heinrich Hiesinger beide Werke im Mai 2012 zum Verkauf stellte. Insbesondere der Verkauf des brasilianischen Werks hatte sich auch wegen technischer Schwierigkeiten aber als zäh erwiesen.
CFO Guido Kerkhoff vor dem Neuanfang
Nichtsdestotrotz wäre der Verkauf des US-Werks ein Befreiungsschlag für CEO Hiesinger und CFO Guido Kerkhoff. Beide kamen erst 2011 zu ThyssenKrupp und müssen nun den Scherbenhaufen ihrer Vorgänger beseitigen: 12 bis 13 Milliarden Euro hat das Unternehmen seit 2004 in das Projekt Steel Americas gesteckt – der Großteil davon ist versenkt. Die Wertberichtigungen für die beiden Werke hat ThyssenKrupp in den vergangenen Jahren regelmäßig die Bilanz verhagelt. Sie stehen derzeit noch mit 3,4 Milliarden Euro in den Büchern von ThyssenKrupp.
Darüber hinaus muss sich CFO Kerkhoff insbesondere auch wegen Steel Americas mit einem Schuldenberg von gut 5 Milliarden Euro herumschlagen. Er dürfte deshalb froh sein, wenn der M&A-Deal frisches Geld in die Kassen von ThyssenKrupp spült – und sich ein Ende des Alptraums in Übersee abzeichnet.