Kann Fleischersatz Private Equity locken?

Nachhaltigkeit macht auch vor den Supermarktregalen nicht halt: Anbieter vegetarischer und veganer Ersatzprodukte bewegen sich in der Nische, versprechen aber hohes Wachstumspotential in einem ansonsten nur leicht wachsenden bis stagnierenden Markt. Das macht sie auch für Finanzinvestoren – derzeit überwiegend in Form von Venture-Capital-Gebern – interessant. Doch ist die sogenannte Smart-Proteins-Branche auch für Private Equity spannend? Wie aus Ersatzprodukten eine Wachstumsstory werden soll Unter dem Oberbegriff Smart Proteins entstehen pflanzenbasierte und fermentierte Proteine sowie zellbasiertes Fleisch, die für die Ernährung perspektivisch eine große Rolle spielen sollen. Die Zukunftsstory solcher Milch- und Fleischersatzprodukte aus alternativen Proteinquellen ist dabei schnell erzählt: Die wachsende Weltbevölkerung müsse versorgt und gleichzeitig verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgegangen werden. Ernährung, Klima- und Umweltschutz, so das Versprechen, gehen Hand in Hand. „Investitionen in das New-Food-Segment durch Venture Capital sind in den vergangenen fünf Jahren stark angestiegen. Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein maßgeblicher Aspekt bei Investitionsentscheidungen“, beobachtet Barbara Siegert, Partnerin und Lebensmittelindustrie-Expertin bei der Unternehmensberatung Munich Strategy. Derzeit sei der Marktanteil der smarten Proteine in Deutschland „mit 1 bis 2 Prozent noch sehr gering“. Aber Alternativprodukte legen zu; gleichzeitig sinkt der Fleischkonsum pro Kopf, wie Daten des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft zeigen. Wieso die neuen Food-Anbieter für PE interessant sind Eine Marktmodellierung von Munich Strategy weist speziell für Smart Proteins in den kommenden zehn Jahren Wachstumsraten von im Schnitt 21 Prozent jährlich aus. „In den kommenden fünf Jahren liegen wir eher bei 18 Prozent jährlicher Wachstumsrate, in den darauffolgenden Jahren dürfte der Wert dann auf 24 Prozent ansteigen“, erklärt Barbara Siegert. „Wir erwarten hier ein dynamisch wachsendes Feld – etwas, was man im traditionellen Lebensmittelbereich nicht hat.“ Bisher sei die Lebensmittelindustrie nicht allzu attraktiv für Private Equity gewesen, meint Siegert, „aber durch die neuen Biotechnologien, durch Präzisionsfermentation und Cultured Meat kommt eine große Dynamik in den Markt“. Die neuen Marktteilnehmer setzten mit ihren innovativen Biotechnologien an, die Wertschöpfung in den nächsten Jahren grundlegend zu verändern und den Herstellungsprozess zu verkürzen. „Dadurch wird die Lebensmittelproduktion nicht nur nachhaltiger, sondern auch wesentlich effizienter. Das macht das Feld spannend für Private Equity.“ Der Marktforscher Innova Market Insights taxierte den Markt für pflanzliche Fleischersatzprodukte in Deutschland zuletzt auf 689 Millionen US-Dollar im Jahr 2023 (Vorjahr: 639 Millionen US-Dollar). Auch die Zahl neuer Produkte steigt demnach: In diesem April wurden laut Innova 27 Prozent mehr Fleischersatzprodukte auf den Markt gebracht als im Vorjahresmonat. Wer im Markt alternativer Proteinquellen aktiv ist Das Feld der alternativen Proteinquellen wird im Wesentlichen von zwei Anbietergruppen geprägt: Auf der einen Seite traditionelle Lebensmittelkonzerne wie PHW (aktiv mit der Marke Green Legend), Hochland (Simply V) und Rügenwalder Mühle, auf der anderen Start-ups, die mit neuen Biotechnologien in den Markt drängen und dank viel Venture Capital häufig eine hohe (mediale) Aufmerksamkeit bekommen. Dabei werden untereinander auch Kooperationen geschlossen, die von klassischen M&A-Deals über Joint Ventures bis zu R&D- oder bloßen Produktionspartnerschaften reichen. Barbara Siegert ist Partnerin und Lebensmittelindustrie-Expertin bei der Unternehmensberatung Munich Strategy. Foto: Munich Strategy Solche Partnerschaften erachtet auch Siegert für zentral. „Viele Unternehmen haben sich in der Wertschöpfungskette mit Partnern zusammengeschlossen, die einen oder mehrere Schritte übernehmen“, erklärt sie. Häufig verfüge ein Anbieter allein nicht über alles, was es braucht, um im Markt erfolgreich zu sein – sei es die technologische Expertise, bei der häufig Start-ups die Nase vorn haben, oder der Marktzugang, mit dem die etablierten Lebensmittelkonzerne punkten. Für Venture Capitalists – und wenn sich der Markt beweist, auch für Private Equity – ist „Buy-and-Build“ eine interessante Option, ist Barbara Siegert überzeugt. Finanzinvestoren könnten sich durch Plattformen und Synergien im Portfolio Wettbewerbsvorteile sichern und insbesondere technologisch ausgerichtete Gründer bei der Strategiearbeit und Kooperationsanbahnung unterstützen. Bis sich ein Investment auszahlt, dürfte es allerdings noch etwas dauern. „Es gibt nur wenige Start-ups, die bereits in der Gewinnzone sind“, erklärt Siegert. „Insgesamt braucht es dafür noch Zeit und eine stärkere Marktdurchdringung.“ Bei etablierten Lebensmittelproduzenten ist das Geschäft öfters profitabel, aber kein Selbstläufer: Steigende Kosten, Kaufzurückhaltung und der starke Wettbewerb mit vielen Produktinnovationen belasteten zuletzt die Hersteller veganer und vegetarischer Fleischersatzprodukte. Beim deutschen Platzhirsch Rügenwalder Mühle etwa, der unters Dach des Nahrungsmittelkonzerns Pfeifer & Langen schlüpft, war im Jahr 2022 der Gewinn eingebrochen. Zukunftsaussichten treiben die Multiples Auch andere Hürden gilt es zu nehmen. Obwohl Nachhaltigkeit für Verbraucher in Europa bei ihren Konsumentscheidungen insgesamt wichtiger wird, so gibt es laut Siegert auch Vorbehalte: „Bei biotechnologischen Verfahren ist die Verbraucherkommunikation sehr schwierig. Aus Investorensicht heißt das: Verbraucherakzeptanz kann ein Risiko sein. In Europa kommt zudem noch die Novel-Food-Verordnung hinzu. Viele der neuen Produkte haben hier noch keine Zulassung.“ Etwas anders sieht es international aus: In den USA gelten Gesundheit und Geschmack als wichtige Faktoren für den Markterfolg. Zum Teil gibt es dort auch schon Zulassungen für neue biotechnologische Verfahren. In der APAC-Region und Ländern wie Indien dagegen dürfte angesichts des Bevölkerungswachstums und der Versorgung der Bevölkerung der Treiber eher die Proteinversorgung werden. Die Aussicht auf die Wachstums- und Ertragschancen in der Zukunft spiegelt sich auch in den Unternehmensbewertungen im Bereich der Smart Proteins wider, die international zu Buche schlagen. „Auch kleinere Ventures kommen auf zweistellige Multiples. Bei bereits bekannten, größeren Marken ist sogar anzunehmen, dass Multiples zwischen 20x und 30x Ebitda gezahlt werden“, sagt Siegert und fügt an: „Das ist dann fast schon überbewertet, denn der Markt hat die Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, bisher noch nicht zurückgezahlt.“

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