Der Markt für nachhaltige Finanzierungen, deren Mittelpunkt „grüne“ oder „environmental, social and governance“(„ESG“)-bezogene Ziele darstellen, steht in vielerlei Hinsicht noch am Anfang. Doch immer mehr Unternehmen und Investoren verknüpfen die Instrumente Anleihe, Schuldschein und Kredit mit einer nachhaltigen oder grünen Komponente.
Beflügelt wird das rasante Wachstum des Marktes nachhaltiger oder grüner Finanzierungen unter anderem durch den „Green Deal“ der Europäischen Kommission, mit dem Ziel, die EU als ersten Kontinent bis zum Jahr 2050 klimaneutral aufzustellen. Demnach sind umfangreiche Investitionen erforderlich, um die EU-Wirtschaft so umzugestalten, dass sie den Nachhaltigkeitszielen einschließlich des Pariser Abkommens und der UN-Nachhaltigkeitsziele gerecht werden. Dem Finanzsystem kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Der Aktionsplan zielt vor allem darauf ab, Finanzströme auf nachhaltige Investitionen zu konzentrieren.
Anteil steigt stetig
Als unmittelbare Folge steigt der Anteil nachhaltiger Finanzierungen derzeit stetig an. Im Rekordjahr 2019 konnten laut Bloomberg insgesamt elf Green und ESG-linked Schuldscheindarlehen mit einem Volumen von knapp unter 3 Milliarden Euro (2018: sechs mit rund 600 Millionen Euro) umgesetzt werden. Das entspricht einem Anteil von etwa 10 Prozent am gesamten Platzierungsvolumen. Für das Jahr 2020 setzt sich dieser Trend fort. Auch die aktuelle weltweite Corona-Pandemie kann die Entwicklung zu einem europäischen Finanzmarkt mit einem hohen Anteil an nachhaltigen Transaktionen nicht mehr aufhalten.
„Die EU soll als erster Kontinent bis zum Jahr 2050 klimaneutral aufgestellt sein.“
In der unternehmerischen Realität passt die bestehende strategische und operative Ausrichtung aber nicht immer zu den genormten Kriterien für nachhaltige Finanzierungsvorhaben. Insofern stehen Unternehmen zunehmend vor der Entscheidung, ob und wie sie an dieser Veränderung des Finanzierungsumfelds partizipieren können.
Hinzu kommt, dass aktuell etwaige Preisvorteile gar nicht oder in nur sehr überschaubarem Maß vorhanden sind bei vergleichsweise erhöhten Transaktionskosten. Auf der anderen Seite ergeben sich dabei für Unternehmen, die sich bewusst klimafreundlicher aufstellen wollen, unter dem Dach der grünen Finanzierungsprodukte entsprechende frische Refinanzierungsmöglichkeiten. In vielen Branchen bedarf es dazu eines begleitenden Technologiewandels, der mit hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung und auch in neue Produktionsprozesse und -stätten verbunden ist.
Um eine Nachvollziehbarkeit für alle Finanzmarktteilnehmer herzustellen, wird größtenteils auf die Green Bond Principles (alternativ Green Loan- oder Sustainability-linked Loan Principles) referenziert. Damit wird die Integrität durch Richtlinien zu Transparenz, Offenlegung und Berichterstattung gefördert. Zusätzlich werden vermehrt KPIs implementiert, die fortlaufend die Nachhaltigkeit der Projekte transparent und kontrollierbar machen, um unter anderem für Investoren Indikatoren zu bieten.
Gleichzeitig wird das Investorenlager verpflichtet, zunehmend nachhaltige Finanzierungsvorhaben in ihre Portfolien aufzunehmen. Die diesbezügliche Adjustierung von Angebot und Nachfrage ist eine staatenübergreifende Herkulesaufgabe, die alle Marktteilnehmer miteinander bewältigen müssen. Last, but not least darf auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit nicht aus den Augen gelassen werden.
Autor
Annika Winkelmann ist Senior Director bei der NORD/LB in Hannover.
Kontakt: annika.winkelmann[at]nordlb.de
Stefan Jacobi ist Project Manager bei der NORD/LB in Hannover.
Kontakt: stefan.jacobi[at]nordlb.de