Mit dem Green Deal zielt die Europäische Union auf eine tiefgreifende Transformation der Realwirtschaft. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent reduziert werden. Ein steiler Einstieg in den Dekarbonisierungspfad. Bis 2050 ist Klimaneutralität angestrebt.
Mit der Nachhaltigkeitstaxonomie führt die EU mit hoher Geschwindigkeit ein neues Instrument ein, das Unternehmen zwingt, ihre Geschäftsaktivitäten hinsichtlich des substantiellen Beitrags zu den EU-Klimareduktions und Klimaanpassungszielen zu bewerten und ab 2022 zu berichten. Dieses „grüne GPS“ wird sich als strategisches Instrument für CFOs etablieren. Die Taxonomie zielt letztlich auf die Verknüpfung zwischen Unternehmen und Finanzmärkten, beispielsweise über grüne Anleihen nach EU-Mindeststandards und grundsätzlich entlang der kompletten Reihe der Finanzinstrumente.
Klima-Performance-Kennziffern werden wichtiger
Institutionelle Finanzinvestoren wie Asset Manager und Versicherungen, aber auch Banken fokussieren sich neben fundamentalen, rein finanziellen Unternehmensfaktoren in ihrem Research zunehmend auf Klima-Performance-Kennziffern. Das müssen sie auch, allein schon aufgrund von neuen regulatorischen Vorschriften, die Nachhaltigkeitsrisikomanagement zur Pflicht machen und seitens der BaFin geprüft werden.
Eine zukunftsgerichtete Einschätzung des Unternehmenserfolgs erfolgt bei der Investitionsentscheidung integrativ. Aus Investorensicht stellt sich dabei eine Reihe von typischen Fragen an den CFO: Neben der nach der Höhe der direkten und indirekten Treibhausgasintensität ergeben sich etwa die, ob Klimaneutralität als Ziel bereits in die Geschäftsstrategie eingebunden ist und inwieweit die Aktivitäten taxonomiekonform sind. So muss der CFO unter anderem darlegen, wie viel Prozent des Innovationsbudgets in grüne Technologie investiert und welche Reduktionsziele entlang des Dekarbonisierungspfads gesetzt werden.
Darüber hinaus stellt sich Investoren die Frage, wie sehr das Unternehmen über seine Standorte, Produktionsstätten und Zuliefererketten gegenüber physikalischen Klimarisiken exponiert ist. Dabei gilt es zu erfahren, wie hoch etwa das Risiko von Betriebsunterbrechungen durch Extremwetterereignisse ist oder wie sich die GuV verändert, wenn der Emissionsrechtepreis oder die CO2-Steuer auf 100 Euro je Tonne steigen. Sind diese Risiken ausreichend bewertet und ab gesichert?
Investoren nutzen Klima-Scorings
Investment Manager treffen ihre Portfolioauswahl zunehmend unter Einbeziehung eines Klimatransitions- und physikalischen Klimarisiko-Scorings auf Basis dieser Fragen. Ceteris paribus werden Unternehmen mit besserem Scoring im Portfolio übergewichtet und umgekehrt. Im Research zeigen sich oft große Unterschiede im Klima-Scoring innerhalb von, aber auch zwischen verschiedenen Branchen. Wie Stefan Pletzer von der schwedischen Bank SEB bestätigt, werden auch Banken Kreditkonditionen und Kreditvergabe zunehmend an Klimarisiko-Scores knüpfen.
Die Klimaagenda ist somit eine strategische Agenda für CFOs geworden. Corporate Finance und Klimageschäftsstrategie von Unternehmen verschmelzen. Kapitalkosten hängen zunehmend von der Klima-Performance ab. Der Anpassungsbedarf und die Wandlungsgeschwindigkeit sind hoch. Die gute Nachricht: Es finden sich zunehmend Werkzeuge zur Lösung der Risiken und Chancen, die den CFO unterstützen. Letztlich gilt es, den „grünen Kondratieff“, die sechste Welle des Wachstums, aktiv zu gestalten.
Autor
Dr. Steffen Hörter ist Head of ESG bei der Munich Re Investment Partners GmbH in München.
Info
Stefan Pletzer ist Head of Institutional Bankiung bei der SEB AB in Frankfurt am Main.
Kontakt: stefan.pletzer[at]seb.de