Zehntausende KfW-Kredite und zahlreiche andere Hilfspakete haben den akuten Liquiditätsbedarf infolge des Corona-Lockdowns im Frühjahr gedeckt – ohne Frage eine wichtige Überbrückung, aber kein Rezept für die Unternehmensfinanzierung in der neuen Normalität. Viele Unternehmen führen deshalb zurzeit intensive Strategiegespräche mit ihren Banken. Ihre Ziele dabei lauten: Finanzierungen ebenso nachhaltig wie zukunftssicher zu strukturieren, mit innovativen Produkten ihre Bilanzen zu entlasten und Finanzkennzahlen zu verbessern.
Weil hohe Corona-Hilfskredite in den kommenden Jahren abzutragen sind, bleibt oft nur ein begrenzter Spielraum für Investitionen – obwohl sie gerade jetzt die Voraussetzung für einen Umbau des Geschäftsmodells, eine verstärkte Digitalisierung und die Erschließung neuer Märkte sind. Um hier individuell beraten und bedarfsgerecht unterstützen zu können, müssen die Finanzierungspartner wissen, was der Unternehmer plant, welche Schlüsse er aus der Krise zieht und welche Ziele er verfolgt. Nur dann entstehen passgenau auf den Kunden zugeschnittene Lösungen.
Spielraum für Wachstum
Vermehrt rücken dabei strukturierte Finanzierungen in den Blickpunkt. Bilanzorientierte oder Cashflow-basierte Lösungen ermöglichen die flexible Anpassung an die operativen Gegebenheiten. Die optimale Kapitalstruktur erwächst dabei häufig aus der Kombination von klassischen und innovativen sowie kreativen Finanzprodukten.
Ein Beispiel dafür aus dem Bereich der Betriebsmittelfinanzierung ist eine Borrowing Base. Diese Finanzierung passt sich flexibel dem Umlaufvermögen eines Unternehmens an, die Kreditlinie wächst mit steigendem Umlaufvermögen und sinkt bei entsprechendem Rückgang. Das schafft Spielraum für Wachstum und bringt Unternehmen hohe Flexibilität in Verbindung mit Finanzierungssicherheit. Eine kreative Ergänzung zur Borrowing Base stellt der regresslose Forderungsverkauf über Factoring oder Forfaitierung dar. Auch die 100-prozentige Absicherung verkaufter Forderungen vor Abnehmerausfällen ist ein wichtiger Pluspunkt.
Gehen Strategiegespräche auf Investitionen beispielsweise in Maschinen ein, darf das Stichwort „Pay per Use“ nicht fehlen. Grundlage dieses Kredits sind Maschinendaten, die beispielsweise über das Internet of Things erfasst und an die Bank übermittelt werden. Dadurch passt sich die Tilgung an die Auslastung der technischen Anlage an. Die Raten können je nach Maschinenauslastung in einem Bereich zwischen 50 Prozent und 140 Prozent der vereinbarten Regeltilgung liegen. Ist die Nachfrage nach einem Produkt nur gering, muss das Unternehmen wenig tilgen, ist die gekaufte Maschine voll ausgelastet, kann der Kredit schneller zurückgezahlt werden.
„Endfälliges Mezzanine-Kapital verringert die vorrangige Verschuldung.“
Sind die Möglichkeiten einer vorrangigen Verschuldung ausgeschöpft, kann das nachrangige Verschuldungspotential des Unternehmens durch den Einsatz von Mezzanine-Kapital erschlossen werden. Dieser Oberbegriff steht für unterschiedliche hybride Finanzierungsformen wie Genussrechte oder stille Beteiligungen, die bilanziell zwischen Eigen- und Fremdkapital angesiedelt sind. Endfälliges Mezzanine-Kapital verringert die vorrangige Verschuldung, führt zu einer Entlastung des Cashflows in der Investitionsphase und stärkt zugleich die Eigenmittelquote. Die Laufzeit beträgt in der Regel sieben bis acht Jahre, was Unternehmen langfristig Sicherheit gibt. Zahlreiche CFOs haben erkannt, wie wichtig es ist, die Finanzierungsstruktur ihres Unternehmens immer wieder den aktuellen Anforderungen anzupassen. Regelmäßige Strategiegespräche mit dem Finanzierungspartner bieten dazu die Gelegenheit.
Autor
Christine Rademacher ist Divisional Head Financial Engineering bei der Commerzbank AG in Frankfurt am Main
Kontakt: christine.rademacher[at]commerzbank.com