Unternehmen erkennen zunehmend, dass ein erfolgreiches Management von Umwelt, Sozial und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) mehr ist als nur die Einhaltung von Vorschriften. Viele CFOs sehen ESG-Kriterien inzwischen als wesentlich für den gesamtunternehmerischen Erfolg an.
Deshalb setzen sich immer mehr Unternehmen mit den Rechten von Arbeitnehmern und Minderheitsaktionären, den Auswirkungen auf das Gemeinwesen, der biologischen Vielfalt, der effizienten Ressourcennutzung und der Umweltverschmutzung auseinander. Stakeholder erwarten inzwischen sogar, dass Unternehmen zunehmend für soziale und ökologische Auswirkungen ihres Tuns Verantwortung übernehmen.
Gute ESG-Praktiken dienen jedoch nicht nur dem Management von Risiken für Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft. Unternehmen können mit Hilfe von selbst gewählten ESG-Kriterien nachhaltig wachsen. Ein proaktives ESG-Management kann ihnen neue Chancen eröffnen und die Reputation verbessern. Unternehmensstandards anzuheben erfordert oft eine neue Denkweise – was wiederum wichtige Innovationen freisetzen kann, die neue Wege zur Umsatzsteigerung und Kostensenkung eröffnen.
Studien: Zusammenhang von ESG-Praktiken und finanzieller Leistung
Die meisten Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen den ESG-Praktiken von Unternehmen und ihrer finanziellen Leistung befasst haben, bestätigen, dass die Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards und eine starke finanzielle Erfolgsbilanz direkt zusammenhängen. Schaut man in Portfolien von Investitionen in Schwellenländer, ist zudem festzustellen, dass Unternehmen mit einer guten Environmental & Social Standard Performance dazu neigen, Unternehmen mit einer schlechteren bei der Eigenkapital und Vermögensrendite zu übertreffen.
Ein interessantes Beispiel für die Schlüsselrolle, die das ESG-Management bei der Entwicklung innovativer Geschäftslösungen spielen kann, ist ein laufendes Projekt unter der Leitung von Lenzing, einem Weltmarktführer für holzbasierte Zellulosefasern mit Hauptsitz in Österreich. Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais wird ein von LD Celulose, einem Joint Venture zwischen Lenzing und dem brasilianischen Unternehmen Duratex, geplantes Zellstoffwerk neue Arbeitsplätze in der Forstwirtschaft schaffen und zu den weltweit energieeffizientesten Anlagen zur Zellstoffherstellung gehören.
Coronakrise verstärkt Investoreninteresse an ESG
IFC und die IDB Invest haben gemeinsam 1,1 Milliarden US-Dollar für das Projekt bereit gestellt. Das Projekt unterstützt die Installation eines 144-MegawattKraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung und trägt dazu bei, den Anteil nachhaltiger Biokraftstoffe und erneuerbarer Energien am brasilianischen Energiemix zu erhöhen und die Folgen des Klimawandels zu dämpfen. Die Finanzierung unterstützt auch die Anpflanzung und nachhaltige Bewirtschaftung von rund 70.000 Hektar FSC-zertifizierter Eukalyptusplantagen. Der Fokus auf ESG ist für Lenzing ein wichtiger Schritt, um sich von anderen Unternehmen zu differenzieren.
Da Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeit weltweit wachsen, nehmen die Geschwindigkeit, das Ausmaß und die langfristigen Implikationen eines nachhaltigen Vorgehens von Unternehmen exponentiell zu. Die Covid-19-Krise hat das Interesse der Investoren an ESG sogar noch verstärkt. Viele Politiker und Investoren sehen die Krise als einen Weckruf, der die Notwendigkeit eines an deren Ansatzes für Investitionen beschleunigt hat. Unternehmen sollten darauf reagieren und ESG-Kriterien in ihre Finanzierung integrieren.
Autor
Jan van Bilsen ist Deutschlandchef von IFC, Mitglied der World Bank Group, in Frankfurt am Main.
Kontakt: jvanbilsen[at]ifc.org
Jasmin Rehne ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die Themen Controlling, Gehalt und Personal. Sie hat in Marburg Sprache und Kommunikation studiert. Neben ihrem Studium arbeitete Jasmin Rehne bereits als studentische Hilfskraft bei FINANCE.