Die digitale Revolution hat das Treasury längst erreicht. Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen setzt bereits auf ein vollintegriertes Treasury-Management-System (TMS), wie eine Studie von DerTreasurer im Sommer 2020 zeigt. Und ein Ende des Digitalisierungstrends ist nicht in Sicht. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) verändern die Finanzprozesse laufend weiter.
Ein interessanter Anwendungsbereich von ML liegt im Cash Forecasting. Auch mit TMS ist die Liquiditätsplanung in vielen Unternehmen ein langwieriger, manueller Prozess. Unmengen historischer Daten müssen aus den unterschiedlichen Tochtergesellschaften und Unternehmensbereichen zusammengetragen, auf Konzernebene konsolidiert und analysiert werden. Bei diesen Big Data Analysen bringt ML entscheidende Vorteile. Die Algorithmen durchsuchen die historischen Daten im TMS nach Mustern und Trends, die für das menschliche Auge schwer zu finden sind, und erstellen auf Knopfdruck valide Liquiditätsprognosen.
Wer glaubt, dass das Treasury nun arbeitslos ist, irrt sich. Nachdem die Cash Forecasts im TMS maschinell erstellt wurden, müssen die Finanzexperten diese überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Durch menschliches Insiderwissen können auch unerwartete Ereignisse wie Firmenfusionen, ein riesiger Überschuss in den kommenden Monaten oder ein plötzlicher Rückgang der Verkaufszahlen eingeplant werden. Mit Covid-19 hat wohl niemand gerechnet. Die Pandemie hat das Treasury vor große Herausforderungen gestellt.
Unternehmen, die bereits ein Cloud-basiertes TMS im Einsatz hatten, waren hier klar im Vorteil. Zum einen war der Zugriff auf die Software auch aus dem Home Office jederzeit möglich. Zum anderen waren alle wichtigen Finanzdaten in einer zentralen Lösung verfügbar. Durch die Unsicherheit in den Märkten ist die Liquiditätsplanung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Treasurer sind gefordert, tagesaktuelle Ereignisse in ihren Forecasts zu berücksichtigen. Und viele CFOs benötigen die Liquiditätsprognosen öfter als zuvor. Innovative Software kann auch hier unterstützen. Finanzexperten können die ML-basierten Cash Forecasts mit Szenarioanalysen kombinieren und so ihren Unternehmen helfen, durch die volatilen Zeiten zu navigieren.
„Die Pandemie hat das Treasury vor große Herausforderungen gestellt. Unternehmen, die bereits ein Cloud-basiertes TMS im Einsatz hatten, waren hier klar im Vorteil.“
Der Mehrwert von Machine Learning
Eine Case Study von ION zeigt, dass Cash Forecasts durch ML bis zu 3.000-mal schneller erzeugt werden können. Dadurch spart das Treasury viel Zeit. Gleichzeitig können die Analysen auch in kürzeren Intervallen erstellt werden. Durch ML können die menschliche Voreingenommenheit (zum Beispiel: „Das haben wir schon immer so gemacht.“) ausgeschlossen und Manipulationsversuche (zum Beispiel: „Ich halte die Erwartung niedrig, dann kann ich später mit besseren Zahlen glänzen.“) verhindert werden.
Zudem kann die Qualität der Prognosen um bis zu 10 Prozent verbessert werden. Je besser die Cash Forecasts sind, desto besser kann der unternehmensweite Cash-Bedarf geplant werden. Und das bringt reale finanzielle Vorteile. Ein Beispiel: Eine 10-prozentige Verbesserung der Liquiditätsprognose bei einem durchschnittlichen Cash-Bestand von 75 Millionen Euro kann bei einer Veranlagung mit einer 2-prozentigen Rendite zu einem Gewinn von 150.000 Euro pro Jahr führen.
Zusammengefasst, können Liquiditätsprognosen mit ML schneller und in höherer Qualität erstellt werden. Treasurer verfügen so über eine solide Informationsbasis für strategische Entscheidungen und können agiler und zeitnäher auf externe Geschehnisse reagieren.
Autor
Viola Hechl-Schmied ist Product Owner bei ION Treasury in Graz.
Kontakt: viola.hechl-schmied[at]iongroup.com