Überlegungen zu „Environment Social Governance“ (kurz ESG) sind für viele Unternehmen zu einem wichtigen Faktor geworden, doch im Detail zeigen sich verschiedenste Herausforderungen für einzelne Branchen. Für Energieerzeuger stehen Umweltaspekte klar im Fokus, während für die weniger CO2-intensive Gesundheits- und Pharmabranche eher soziale und Corporate-Governance-Themen eine höhere Relevanz haben. Steigende Wasserpreise stellen die Landwirtschaft vor Herausforderungen, und CO2-intensive Branchen wie die Schwerindustrie sind von deutlich steigenden Ausgleichsabgaben für Emissionsmengen betroffen.
Der Markt ist eindeutig im Wandel begriffen, es benötigt ein Umdenken in vielen Gesellschaftsbereichen, und Unternehmen sehen sich mit neuen und ungewohnten Herausforderungen konfrontiert. Zentral für den zukünftigen Unternehmenserfolg wird sein, diese zum einen zu identifizieren, bevor Geschäftsmodelle unter Druck geraten, und zum anderen damit einhergehende Geschäftspotentiale zu erkennen.
Banken als Sparringspartner nutzen
Banken und Kapitalmärkte sind wichtige Multiplikatoren für Volkswirtschaften. Daher integriert die Europäische Union ESG-Kriterien in ihren Finanzmarkt und Bankenrechtsrahmen, um nachhaltiges Wachstum zu fördern. Ein zusätzlicher Schub kommt aus allen Teilen der Gesellschaft, wobei das Interesse an Klimawandel und Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist.
Unternehmen und Banken sind es bereits gewohnt, einen Dialog über Verschuldungskapazität, Rating, Bilanzstruktur und strategische Finanzierung zu führen. Zukünftig muss und wird sich dieser Dialog auf den Bereich der Nachhaltigkeitsstrategie ausweiten. Das bedeutet, Banken müssen zukünftig nicht nur über ein tiefes Verständnis für die Geschäftsmodelle ihrer Kunden verfügen, sondern auch die ökologischen und sozialen Herausforderungen der jeweiligen Branche verstehen. Gleichzeitig werden Banken dadurch aber auch zu wertvollen Sparringspartnern für viele Unternehmen, die sich auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell befinden.
ESG als möglicher Türöffner
ESG kann ein Türöffner für neue Kooperationsmöglichkeiten und Geschäftsbeziehungen sein – sei es bei Unternehmen, die neue, innovative Lösungen einführen, sei es bei bereits etablierten, die ihr Geschäft anpassen müssen. Es gilt nun, diese Potentialfelder gemeinsam zu identifizieren und ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum in den Fokus zu stellen.
Eine telefonische Befragung unter 200 österreichischen Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten im Mai und Juni 2021 offenbarte den Gesprächsbedarf: Für 70 Prozent der Unternehmen spielte Nachhaltigkeit noch keine Rolle in der Interaktion mit ihren Banken, wobei sich dieser Wert nicht zuletzt aufgrund der zum 1. Juli in Kraft getretenen EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung samt Anforderungen zu ESG im Sinken befinden sollte.
Autor
Thomas Schatz ist Head of Large Corporates der Erste Group Bank AG in Wien.
Kontakt: thomas.schatz[at]erstegroup.com
Jasmin Rehne ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die Themen Controlling, Gehalt und Personal. Sie hat in Marburg Sprache und Kommunikation studiert. Neben ihrem Studium arbeitete Jasmin Rehne bereits als studentische Hilfskraft bei FINANCE.