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Bilanzpolizei stößt an Grenze

Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) nimmt die Bilanzen der Unternehmen genau unter die Lupe. Die Fehlerquote hat sich inzwischen auf einem niedrigen Niveau eingependelt.
BrianAJackson/iStock/Thinkstock/Getty Images

Deutsche Unternehmen machen bei der Bilanzierung immer noch Fehler – doch die Fehlerquote hat sich in den vergangenen Jahren auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau eingependelt. Das zeigt die Analyse der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die jedes Jahr Geschäftsberichte ausgewählter Unternehmen auf Fehler in der Rechnungslegung hin untersucht. Findet sie einen Fehler, muss das Unternehmen diesen im Bundesanzeiger veröffentlichen.

2017 hat die Prüfstelle – auch Bilanzpolizei genannt – insgesamt 99 Prüfungen abgeschlossen, wovon der Großteil zufällig per Stichprobe ausgewählt wurde. Bei drei Fällen handelte es sich um Anlassprüfungen, die die Bilanzpolizei dann durchführt, wenn sie einen konkreten Verdacht auf Bilanzierungsfehler hat, zum Beispiel durch Hinweise von Insidern oder durch Medienberichte. Fünf weitere Prüfungen wurden auf Verlangen der BaFin durchgeführt. Die BaFin kann Prüfungen anordnen, wenn sie selbst einen Fehler in den Bilanzen eines bestimmten Unternehmens vermutet.

Über alle Prüfungen hinweg lag die Fehlerquote bei 15 Prozent, ähnlich viel wie in den Vorjahren: Zwischen 2014 und 2016 lag die Fehlerquote immer zwischen 13 und 16 Prozent. Nicht überraschend ist, dass die DPR vor allem bei Anlassprüfungen beziehungsweise bei Verlangensprüfungen durch die BaFin weit überdurchschnittlich häufig Fehler feststellen musste: Dort lag die Fehlerquote bei 67 beziehungsweise 40 Prozent.

DPR: Viele Fehler bei M&A, Goodwill & Co.

Insgesamt ist das aber eine gute Entwicklung, schließlich wurden 2011 noch bei über 25 Prozent der Prüfungen Fehler gefunden. Die DPR, die 2005 gegründet wurde, um die Rechnungslegung deutscher Unternehmen zu kontrollieren, scheint mit ihrer Arbeit an eine Grenze gestoßen zu sein – die Fehlerquote dürfte auch in Zukunft nicht mehr merklich sinken.

Interessant ist auch, dass nicht nur die Fehlerquote Jahr für Jahr in etwa gleich bleibt. Auch die Art der Fehler verändert sich nicht mehr. Wie in der Vergangenheit schon taten sich die Unternehmen vor allem mit der Bilanzierung von M&A-Deals und Goodwill sowie latenten und tatsächlichen Steuern schwer, zeigt die DPR-Analyse. Viele Fehler fanden sich auch in der Lageberichterstattung und bei Anhangangaben.

Gerade wenn die Bilanzierung besonders komplex ist, häufen sich die Fehler. So haben mehrere Unternehmen gegen die Vorgaben von IFRS 8 (Segmentberichterstattung) verstoßen und Angaben zur Höhe der Umsatzerlöse, die sie mit wichtigen Kunden oder in einem bedeutsamen geographischen Markt erwirtschaften, nicht gemacht. In anderen Fällen wurde ein zu hoher Geschäfts- und Firmenwert ausgewiesen.

Kleinere Unternehmen tun sich mit IFRS schwer

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Fehler ausschließlich bei Unternehmen ohne Indexzugehörigkeit festgestellt wurden. Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Trend herauskristallisiert, dass kleinere Unternehmen öfter falsch bilanzieren als größere. Dieser Trend bestätigt sich.

Das ist auch nicht verwunderlich: Während große Konzerne meistens eigene Accounting-Abteilungen haben, die sich mit komplexen Bilanzierungsstandards auskennen, sieht es bei kleineren Unternehmen oft anders aus – hier fehlen Geld und Manpower, um die Expertise selbst vorzuhalten.

Dass Unternehmen offenbar immer wieder die gleichen Fehler machen, spiegelt sich auch in den Prüfungsschwerpunkten wider, die die DPR gemeinsam mit der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma konzipiert hat. Demnach wird die DPR 2018 unter anderem besonders genau prüfen, wie die Unternehmen mit den neuen Bilanzierungsstandards IFRS 15 (Umsatzbilanzierung), IFRS 16 (Leasingbilanzierung) und IFRS 9 (Bilanzierung von Finanzinstrumenten) umgehen. Bereits 2017 hatte die DPR dieses Thema auf der Agenda.

Auch viele der anderen Themen, auf die die DPR dieses Jahr einen besonderen Fokus liegt, sind in den Vorjahren bereits Schwerpunkte gewesen. Unter anderem nimmt die Bilanzpolizei die Rückstellungen, Kapitalflussrechnungen und die bilanzielle Abbildung von M&A-Deals genau unter die Lupe. Diese Themen sollten sich Unternehmen bei der Erstellung der diesjährigen Geschäftsberichte gut ansehen, um Fehlerfeststellungen zu vermeiden.

Alle Unternehmen haben DPR-Feststellung zugestimmt

Sehr positiv entwickelt hat sich im vergangenen Jahr die Zustimmungsquote, die angibt, ob ein Unternehmen die Fehlerfeststellung der DPR akzeptiert oder ablehnt. Im Falle einer Weigerung würde die BaFin selbst eine Prüfung einleiten. 2017 haben alle Unternehmen die Fehlerfeststellungen der DPR akzeptiert. Dies war in der Vergangenheit nicht immer so. In einzelnen Fällen lieferten sich Unternehmen sogar öffentliche Scharmützel mit der DPR.

Die hohe Zustimmungsquote im vergangenen Jahr kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich die DPR etabliert hat und von den Unternehmen ernst genommen wird. 2016 lag die Zustimmungsquote bei 73 Prozent, 2015 bei 50 Prozent. Im Jahr davor hatten so viele Unternehmen mit der DPR diskutiert wie noch nie, darunter damals auch die Großkonzerne Deutsche Bank und Axel Springer.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Gerade die Anwendung komplexer IFRS-Bilanzierungsregeln macht Unternehmen zu schaffen. Weitere Infos zu IFRS finden Sie auf unserer Themenseite. 

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.