NEUZur Serie: Top-Dealmaker

Newsletter

Abonnements

Daimler, RWE und BMW schießen Milliarden in Pensionskassen nach

Mit rund 2 Milliarden hatte Daimler 2015 am meisten in die Pensionskassen nachgeschossen.
Daimler

Viele Jahre lang kannten die nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen der Dax-Unternehmen nur eine Richtung: Nach oben. Ende 2014 standen sie mit über 370 Milliarden Euro sogar so hoch wie nie. Doch endlich gibt es gute Nachrichten: 2015 hat sich die Lage etwas entspannt, die Verpflichtungen sind um 2,4 Prozent auf 364 Milliarden Euro gesunken. Das ergab eine Analyse der Geschäftsberichte der Dax-30-Unternehmen, die das Beratungshaus Willis Towers Watson jedes Jahr durchführt.

Grund für die gesunkene Belastung ist die Entwicklung des Rechnungszinses, nach dem die Pensionsverpflichtungen abdiskontiert werden müssen. Der Zins, der sich an der Rendite hochwertiger Unternehmensanleihen orientiert, ist 2015 von 2,15 Prozent auf 2,4 Prozent gestiegen.

Auf der anderen Seite haben sich auch die Planvermögen der Unternehmen, also die Vermögenswerte, die explizit für die Zahlung von Pensionsverpflichtungen reserviert sind, gut entwickelt: Sie sind um 2,9 Prozent auf 235 Milliarden Euro gestiegen. Das lag einerseits daran, dass die Kapitalmärkte sich gut entwickelt haben. Rund ein Viertel ihrer Pensionsvermögen hatten die Unternehmen in Aktien angelegt, mehr als die Hälfte in Anleihen und ein Viertel in Immobilien, Infrastruktur oder Private Equity. 

Daimler hat schon seit Jahren die höchsten Dotierungen

Die Planvermögen sind aber auch deshalb angestiegen, weil viele Unternehmen Geld nachgeschossen haben, am meisten davon Daimler mit rund 2 Milliarden Euro und RWE mit rund 1,6 Milliarden Euro. Mit einigen Abstand dahinter folgt BMW mit 900 Millionen Euro. Die Lufthansa hat 700 Millionen Euro nachgeschossen, VW rund 600 Millionen Euro.

Dank der starken Cashflows, die der Dax-Konzern im Industriegeschäft erwirtschaftet, legt Daimler-CFO Bodo Uebber schon seit Jahren immer wieder Milliarden in die Pensionskasse ein. Die hohen Dotierungen bei RWE hingegen könnten mit der aktuellen Krise und einer Neuorientierung des Energieriesen zusammenhängen:  Um die Pensionsverpflichtungen sicher auszufinanzieren, steckt RWE das Vermögen lieber in die Pensionskasse, anstatt es anderweitig zu binden, zum Beispiel in den produzierenden Anlagen des Unternehmens. 2014 war RWE noch nicht in den Top 5 der höchsten Dotierungen zu finden.

Insgesamt haben alle Dax-30-Unternehmen zusammen rund 10 Milliarden Euro nachgeschossen. Das schlägt sich auch im Ausfinanzierungsgrad, dem Verhältnis von Planvermögen zu Pensionsverpflichtungen, nieder. Dieser Wert ist 2015 leicht von 61 Prozent auf 65 Prozent gestiegen – die Pensionslücke hat sich also ein Stückweit geschlossen.

Pensionskasse: Deutsche Post holt sich 1 Milliarde über Anleihen

Doch innerhalb der Dax-Unternehmen ist die Bandbreite sehr groß: Während beispielsweise die Deutsche Bank ihre Pensionslasten sogar zu 101 Prozent ausfinanziert hat, HeidelbergCement, Linde und BMW zu rund 80 Prozent, haben die Deutsche Telekom und ThyssenKrupp nur zu rund 25 Prozent ausfinanziert. Der Dax-Neuling Vonovia liegt sogar nur bei 4 Prozent.

Volkswagen, das mit rund 39 Milliarden Euro die höchsten Pensionsverpflichtungen aller Dax-Konzerne aufweist, hat seine Verpflichtungen zu 24 Prozent gedeckt. Siemens, mit rund 37 Milliarden Euro an zweiter Stelle, hat die Verpflichtungen zu 74 Prozent durch Planvermögen gedeckt. Ein niedriger Ausfinanzierungsgrad bedeutet allerdings nicht, dass die Pensionsverpflichtungen nicht gezahlt werden können, sondern dass sie durch andere Bilanzposten gedeckt werden.

Und auch 2016 geht der Trend zu hohen Dotierungen direkt weiter: Wie die Deutsche Post heute verkündet hat, will sie das anhaltende Zinstief zur Finanzierung ihrer Pensionsverpflichtungen nutzen. Diese belaufen sich auf rund 17 Milliarden Euro. CFO Lawrence A. Rosen will zwei Anleihen im Gesamtvolumen von 1,25 Milliarden Euro platzieren, wovon mindestens 1 Milliarde in das Planvermögen einfließen soll. Dieses liegt derzeit bei rund 11 Milliarden Euro. Bereits Ende 2012 hatte sich die Deutsche Post für ihre Pensionskassen 2 Milliarden Euro am Kapitalmarkt besorgt.

Pensionsverpflichtungen: Keine Entwarnung für HGB-Bilanzierer

In den Genuss der Verschnaufpause, die das Jahr 2015 den Dax-Unternehmen gebracht hat, kommen jedoch nicht alle Unternehmen. Bei Unternehmen, die nach HGB und nicht nach IFRS bilanzieren, gab es diesen Trend nicht. Weil der Rechnungszins dort bisher als 7-Jahres-Durchschnitt berechnet wurde, schlägt sich die 2015 verzeichnete Erhöhung des Zinses kaum nieder.  

Auch der Gesetzgeber ist sich dieses Problems bewusst und hat daher am gestrigen Dienstag den Zeitraum, auf dessen Basis der Zinsfuß für die HGB-Bilanzen festgelegt wird, auf zehn Jahre angehoben. Kritiker sind skeptisch, ob drei zusätzliche Jahre wirklich helfen, das Problem zu lösen, denn so hinterlässt das Niedrigzinsumfeld seine Spuren nur langsamer. Die USA gehen jedoch auch in diese Richtung: Dort wurde der Zeitraum auf 15 Jahre verlängert, sagt Alfred Ghodes von Willis Towers Watson: „Die Bundesregierung muss deswegen gegebenenfalls nochmal ran“, meint der Pensionsexperte.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.