Mehrere Jahre lang haben viele Unternehmen ihre Rechnungslegung auf den gefürchteten neuen Bilanzierungsstandard IFRS 15 vorbereitet, unzählige Kundenverträge ausgewertet und IT-Systeme angepasst. IFRS 15 ist eine der einschneidentsten Bilanzierungsveränderungen der jüngeren Vergangenheit, regelt sie doch, wie eine der wichtigsten Kennzahlen bilanziert werden muss: der Umsatz. Seit Januar ist die neuen Regelung in Kraft, und mit der Veröffentlichung der ersten Geschäftsberichte wird deutlich, wie groß die Auswirkungen auf die Bilanzen tatsächlich sind.
Stark betroffen von IFRS 15 ist die Deutsche Telekom. Der Konzern beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Umstellung auf IFRS 15 und hat sich sogar über diverse Expertengremien aktiv in die Ausgestaltung des Standards eingebracht. Als Telekomkonzern mit sogenannten Mehrkomponentenverträgen ist die Telekom von den Änderungen besonders betroffen.
Deutsche Telekom muss Umsätze früher verbuchen
IFRS 15 definiert, an wann ein Umsatz als realisiert gilt, und diese Frage ist bei Mehrkomponentenverträgen besonders schwer zu beantworten. Diese Verträge bestehen aus einer Kombination aus einem (subventionierten) Mobiltelefon und einem Servicevertrag mit monatlichen Gebühren. Die Umsätze daraus wurden bei der Telekom bisher mehr oder weniger gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt.
Mit dem Geschäftsjahr 2018 hat sich das geändert. Der Gesamtumsatz aus dem Vertrag muss nun nach dem Verhältnis der jeweiligen Einzelveräußerungspreise auf die einzelnen Bestandteile (Telefon und Dienstleistung) aufgeteilt werden. Der Einzelveräußerungspreis ist der Preis, zu dem das Telefon und die Dienstleistung separat verkauft werden würden und ist für das bislang subventionierte Telefon entsprechend viel höher als bisher (siehe Zahlenbeispiel in der Infobox am Textende).
Die Folge: Ein Großteil der Umsätze muss nun schon viel früher ausgewiesen werden, nur noch ein kleinerer Rest des Umsatzes wird wie bisher über einen längeren Zeitraum verteilt. Am Ende des Jahres gleicht sich das aber aus, der Gesamtumsatz ändert sich nicht.
Bilanzsumme und Eigenkapital erhöhen sich durch IFRS 15
Wie sich das in den Zahlen der Telekom niederschlagen werden, kann man im Anhang des Geschäftsberichts für 2017 nachlesen: Zum ersten Quartal 2018 werden sich aufgrund des höheren Umsatzes das Eigenkapital und die Bilanzsumme um 2,2 bis 2,6 Milliarden Euro erhöhen. Dadurch steigt auch die Eigenkapitalquote. Bereits im Halbjahresbericht für 2017 hatte die Telekom erstmals die möglichen Auswirkungen beziffert, damals war der erwartete Effekt allerdings noch mit 3 bis 4 Milliarden Euro angegeben.
Aktuell liegt die Bilanzsumme bei 141,3 Milliarden Euro, das Eigenkapital beträgt 42,5 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote somit 30 Prozent. Würden Bilanzsumme und Eigenkapital jeweils um 2,6 Milliarden Euro ansteigen, würde sich die Eigenkapitalquote auf 31,3 Prozent verbessern. Wie hoch genau die Änderungen sein werden, wird man bei der Vorlage der Q1-Zahlen am 9. Mai sehen.
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Mit einer einmaligen Umstellung ist es allerdings nicht getan: Wenn Kunden in laufenden Verträgen rabattierte Leistungen hinzubuchen oder kündigen, muss das Verhältnis der einzelnen Leistungen zueinander jedes Mal neu berechnet und bilanziert werden. Das ist umso komplexer, je vielfältiger die Vertragsbeziehungen sind.
Umstellung auf IFRS 15 kostete Telekom Millionen
Damit das reibungslos funktioniert, musste die Telekom unter anderem ihre IT-Systeme anpassen. Da Umsatzerfassung und Rechnungsstellung nun zeitlich auseinanderfallen, konnte der Umsatz nicht mehr aus den bestehenden IT-Systemen abgeleitet werden. Ein Sprecher bezifferte gegenüber FINANCE die gesamten Umstellungskosten auf einen mittleren zweistelligen Millionenbereich.
Wie stark die verschiedenen Telekomkonzerne davon betroffen sind, hängt nicht zuletzt davon ab, welches Geschäftsmodell sie verfolgen. In den USA und in Teilen Europas werden Mobiltelefone kaum subventioniert verkauft, sondern im Rahmen eines Ratenzahlungs- oder Leasing-Modells angeboten – da spielt IFRS 15 kaum eine Rolle.
Anders in Deutschland, wo Verträge mit subventionierten Telefonen der Standard sind. Wie die Auswirkungen auf andere große Telekomkonzerne wie Telefónica oder Vodafone sind, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn diese ihre Zahlen vorlegen.
Info
Ein Zahlenbeispiel zu IFRS 15 im Telekomsektor:
Ein Kunde schließt einen Vertrag ab, der ein Mobiltelefon und eine monatliche Servicegebühr umfasst. Insgesamt zahlt er 70 Euro im Monat für den Service – das sind 1.680 Euro über 24 Monate – und 100 Euro für das Telefon, in Summe also 1.780 Euro.
Bislang wird zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für das Handy ein Umsatz von 100 Euro erfasst, monatlich wurden 70 Euro ausgewiesen. Nach IFRS 15 müssen die Umsätze entsprechend der Einzelveräußerungspreise ausgewiesen werden. Das Telefon würde dann beispielsweise 720 Euro kosten, die monatliche Gebühr wäre 45 Euro. Bei einer Summe von 1.800 Euro entfielen 40 Prozent auf das Telefon und 60 Prozent auf den Service.
Nach diesem Verhältnis muss nun der tatsächliche Umsatz von 1.780 Euro aufgeteilt werden. Auf das Telefon entfallen 712 Euro, die sofort als Umsatz zu erfassen sind. Der verbleibende Umsatz von 44,50 Euro pro Monat wird über 24 Monate erfasst.
Quelle: Deutsche Telekom
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Ob neue Bilanzierung von Leasing (IFRS 16), von Umsatz (IFRS 15) oder von Finanzinstrumenten (IFRS 9) – mit unserer Themenseite zu IFRS bleiben Sie auf dem Laufenden, was es in der Rechnungslegung Neues gibt.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.