Der große Wurf ist das nicht: Fast zwei Jahre lang tüftelte der Internationale Standardsetzer IASB an einem neuen Rahmenkonzept für die Bilanzierungsstandards IFRS, doch der nun veröffentlichte Entwurf kann die Erwartungen nicht erfüllen. „Nach der sehr intensiven Diskussion hatten sich die Unternehmen mehr erhofft“, meint Christian Landgraf, Wirtschaftsprüfer bei Rödl & Partner. „Entsprechend groß ist jetzt die Enttäuschung.“
Konkret ging es in der Diskussion um das Rahmenkonzept, das die grundsätzlichen Bilanzierungsprinzipien nach IFRS beschreibt. Dabei wird zum Beispiel definiert, was als Eigenkapital und Vermögenswert gilt oder ob die Bilanzierung eher vergangenheits- beziehungsweise zukunftsorientiert erfolgen soll. Zwar ist das Rahmenkonzept an sich kein Standard und die Regelungen in den spezifischen IFRS-Standards haben im Zweifel immer Vorrang. Aber das Rahmenkonzept ist dennoch wichtig für die Unternehmen, handelt es sich dabei doch um eine Art ideologischen Überbau der gesamten Bilanzierungspraxis. „Gerade bei Regelungslücken oder Unklarheiten ist das Rahmenkonzept eine erste Anlaufstelle für Wirtschaftsprüfer und CFOs“, erklärt Landgraf die praktische Relevanz.
Eigen- und Fremdkapital: Abgrenzung weiter unklar
Zur Vorgeschichte: Das letztmals im Jahr 2013 veröffentlichte Diskussionspapier hatte für viel Kritik gesorgt. Unternehmen bemängelten, dass wichtige Themenbereiche in dem Konzept fehlten oder einzelne Bereiche nicht mehr zeitgemäß waren. Der jetzige Entwurf sollte die damals aufgedeckten Schwächen eigentlich adressieren, doch daraus ist nichts geworden.
Beispiel Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital, eines der heißesten Themen für viele Unternehmen: Dieser gesamte Themenkomplex wurde bei dem neuen Entwurf schlussendlich außen vor gelassen und in ein Forschungsprojekt ausgegliedert. Damit ist mit einer zeitnahen Lösung nicht mehr zu rechnen, denn erfahrungsgemäß ziehen beim IASB einige Jahre ins Land, wenn ein derart komplexes Thema aufgearbeitet wird.
Dabei hat die aktuelle Kapitalmarktentwicklung die Relevanz dieses Themas seit 2013 sogar noch erhöht: Hybride Finanzierungsinstrumente, bei denen man häufig nicht klar sagen kann, was zum Eigen- und was zum Fremdkapital gerechnet werden muss, drängen immer stärker auf den Markt. Zwar ist in den entsprechenden Standards definiert, wie bilanziert werden muss. Doch es gibt auch Regulierungslücken und Spezialfälle, bei denen ein Blick in das Rahmenkonzept erforderlich ist.
Immerhin: Schuld und Vermögen neu definiert
Und noch ein dringend definitionsbedürftiger Aspekt wurde zur reinen Ausweisfrage degradiert, nämlich die konzeptionelle Frage, was in die GuV muss, und was ins sonstige Ergebnis kann. „Auch diese Frage bleibt den Standards überlassen“, so Landgraf.
Immerhin gibt es aber auch einige Veränderungen, die im neuen Entwurf Platz gefunden haben. So wurden beispielsweise die Begriffe Vermögenswert und Schuld neu definiert. Im aktuell geltenden Konzept ist der Vermögenswert noch definiert als „Ressource, von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt“ – und ist für den Ansatz in der Bilanz an eine konkrete zu berechnende Wahrscheinlichkeit gekoppelt, was in der Praxis manchmal zu Unsicherheiten und Problemen geführt hat. Im neuen Entwurf ist jetzt von einem „Potential wirtschaftlichen Nutzens“ die Rede und der Vermögenswert gilt als „Recht“, nicht als Ressource. „Dieses Verständnis geht einher mit dem neuen Entwurf zur Leasingbilanzierung und ist insofern stimmig“, lobt Landgraf.
Vorsichtsprinzip: IASB rudert zurück
Daneben will der IASB auch das Vorsichtsprinzip (prudence) bei der Finanzberichterstattung wieder stärker betonen. Erst 2010 hatte der Standardsetzer das Vorsichtsprinzip eigentlich durch das Neutralitätsprinzip („neutrality“) ersetzt. Daraufhin war ein Aufschrei durch die Accounting-Community gegangen. Es wurde kritisiert, dass die Gewinne dann zu hoch und die Verluste zu niedrig ausgewiesen würden. Jetzt rudert der IASB wieder zurück und verdeutlicht damit auch, unter welchem politischen Druck aus der EU er steht. In Zeiten von stärkerer Bankenregulierung und dem Ruf nach mehr Gläubigerschutz muss der IASB nachziehen.
Die zahlreichen Unternehmen und Wirtschaftsprüfer, die von den Regelungen enttäuscht sind, haben noch bis zum 26. Oktober Zeit, Stellung zu nehmen. 2016 soll das finale Konzept dann stehen. Der komplette Entwurf des IASB kann hier eingesehen werden.
julia.becker[at]finance-magazin.de