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Pensionsverpflichtungen: Ausfinanzierungsgrad auf Jahrestief

Trotz kurzer Erholung: Die Pensionsverpflichtungen belasten börsennotierte Unternehmen weiterhin stark.
Gunnar Pippel/iStock/Thinkstock/GettyImages

Die Pensionsverpflichtungen machen Finanzchefs zunehmend Kopfzerbrechen: Während Rechnungszins und Ausfinanzierungsgrad der Pensionsvermögen sich immer noch im Abwärtstrend befinden, zeichnen sich bei deutschen Unternehmen erste Erfolge ab: Sie stemmten sich gegen die niedrigen Zinsen und erzielen starke Renditen bei der Finanzierung ihrer Pensionspläne.

Wie die Beratungsfirma Towers Watson jetzt berechnet hat, konnten viele Unternehmen im dritten Quartal ihre Planvermögen, die für die Zahlung der Pensionsverpflichtungen reserviert sind, steigern: Diese wuchsen bei den Dax-Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent auf 210,2 Milliarden Euro und bei den MDax-Unternehmen sogar um 2 Prozent auf 27,5 Milliarden Euro. Insgesamt konnten die Unternehmen im dritten Quartal eine Rendite auf das Planvermögen von 2,3 Prozent erreichen – eine erstaunliche  Entwicklung angesichts eines weiter gesunkenen Rechnungszinses.

Rechnungszins im Abwärtstrend

Dieser liegt nun bei 2,69 Prozent – ein Minus von 0,38 Prozentpunkten gegenüber dem Vorquartal. Und das schlägt sich auch im Ausfinanzierungsgrad wieder (siehe Grafik), der durch die negativen Effekte offenbar stärker beeinflusst wird, als durch die positiven: Die Dax-Unternehmen haben ihre Verpflichtungen zu 58,7 Prozent ausfinanziert, die MDax-Unternehmen zu 46,2 Prozent. Diese Werte stellen das bisherige Jahrestief dar, Ende 2013 lag der Ausfinanzierungsgrad bei Dax-Unternehmen noch bei 65,3 Prozent und bei MDax-Unternehmen bei 51,4 Prozent. Damals hatte ein leicht gestiegener Rechnungszins allerdings auch für Rückenwind gesorgt – es war offenbar nur eine kurze Erholung.

Die Unternehmen befinden sich nach wie vor in einer schwierigen Situation, in der der Ausfinanzierungsgrad von zwei Seiten beeinflusst wird: Auf der Vermögensseite gab es zwar Erfolge, doch auf der Verpflichtungsseite spüren Unternehmen den starken Druck des niedrigen Rechnungszinses. Und die kurzfristig realisierten positiven Effekte auf Vermögensseite könnten sich schon bald wieder umkehren: „Im aktuellen Börsenumfeld nach dem Ende des dritten Quartals zeichnet sich ein Rückgang der Renditen ab“, sagt Thomas Jasper, Leiter des Beratungsbereichs Retirement Solutions bei Towers Watson.

Die ganze Hoffnung gilt steigenden Zinsen: Ein Rechnungszinsanstieg um nur einen Prozentpunkt hätte bereits „sehr starke positive Auswirkungen auf der Ausfinanzierungsgrad“. So würde dieser dann um 10 bis 20 Prozentpunkte steigen. Mittel- bis langfristig rechnet Towers Watson mit einem Zinsanstieg. Dieser dürfte indes im Makroszenario noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Kapitalmarktorientierte Pensionszusagen als Ausweg

So viel Zeit haben Unternehmen nicht: Sie suchen andere Lösungen. Wie Towers Watson beobachtet hat, stellen viele Konzerne ihre Pensionszusagen vom leistungsorientierten Modell (Defined Benefit) auf das kapitalmarktorientierte Modell um (Defined Contribution).

Demnach legen Unternehmen nur die Höhe der Summe fest, die sie für ihre Mitarbeiter am Kapitalmarkt anlegen, nicht aber die Höhe der Summe, die sie zu Renteneintritt zahlen. Damit machen sie sich unabhängig von Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt und schützen ihre Bilanzen vor Schwankungen. So hat etwa die Lufthansa im September das kapitalmarktorientierte Modell bei den Flugbegleitern durchgesetzt.

Auch für viele Mittelständler, die sogar noch stärker unter niedrigen Rechnungszinsen leiden, weil diese unter HGB als Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre gebildet werden, ist das inzwischen eine attraktive Option: So haben auch zwei mittelständische Unternehmen gegenüber FINANCE anonym erzählt, dass die Umstellung derzeit die einzige nachhaltige Lösung für sie ist. „Viele Unternehmen wollen das aber aus sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht“, sagt Paulgerd Kolvenbach, Chef der Pensionsberatung Longial. Die Niedrigzinsphase bleibt also weiterhin eine große Herausforderung für deutsche Unternehmen.

julia.becker[at]finance-magazin.de