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Puma: Die Öko-Bilanzierer

Puma lässt 90 Prozent der Ware in Asien herstellen. Dort sind die Lohnkosten zwar niedrig, die Umweltkosten aber höher. Quelle: Puma

Tue Gutes und rede darüber: Die Einführung der ersten ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) vermarktet Puma wohldosiert in kleinen Portionen. Im ersten Wurf seiner Öko-GuV beziffert der Sportartikelhersteller die Schäden, die einzelnen Umweltbereichen durch die Produktion des Unternehmens  und seiner Zulieferer entstehen. Nach und nach sollen dann weitere Bereiche hinzukommen (siehe Kasten). In Zukunft soll die Öko-GuV dann einmal ökologische und soziale Auswirkungen abbilden und auch positive Effekte berücksichtigen, die Pumas Produktion etwa durch den Aufbau neuer Arbeitsplätze oder Steuerzahlungen leistet – ein enormer Aufwand für die Finanz- und die Nachhaltigkeitsabteilung. „Unser langfristiges Ziel ist es, unsere ökologische und soziale Gewinn- und Verlustrechnung in die wirtschaftliche zu integrieren“, sagt Reiner Hengstmann, Leiter des Bereichs Umwelt und Soziales bei Puma.

Zwar verfassen viele große Unternehmen bereits einen Nachhaltigkeitsreport, doch Puma geht einen Schritt weiter. „Der Verbrauch natürlicher Ressourcen ist teuer. Eine Reihe von Unternehmen messen das und nutzen dafür Systeme, die sie auch im  Rechnungswesen verwenden“, sagt Michael Werner, verantwortlicher Partner für den Bereich Sustainability Services bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, die Puma beim Aufbau der ökologischen und sozialen GuV berät. „Puma misst und bepreist durch diese Form des Accounting den Schaden, der durch CO2-Emissionen und die Nutzung  der Ressource Wasser womöglich entstanden ist. Durch die Einbeziehung der Zuliefererkette geht das Modell zudem über die Unternehmensgrenzen hinaus.“

Das Ergebnis könnte ganze Standorte und Lieferketten auf den Prüfstand stellen – vorausgesetzt, Puma entwickelt ein verlässliches Modell und zieht dann auch Konsequenzen. Denn bis überhaupt einmal eine Beurteilungsbasis geschaffen ist, haben die Finanz-  und die Nachhaltigkeitsabteilung von Puma noch einen weiten Weg vor sich. Schon die Bewertung der durch CO2-Emissionen und Wasserverbrauch verursachten Kosten war komplex: In manchen Ländern ist das Wasser knapper als in anderen und damit teurer, auch die Folgekosten von CO2-Schäden sind nicht detailliert vorherzusehen. „Wir stützen uns bei der Erhebung auf Studien und Datenbanken“, erklärt Hengstmann. Ein geeignetes Bewertungsmodell zu finden ist der schwierigste Teil der ökologischen und sozialen GuV. Und die Ergebnisse sind eher als Richtlinie zu interpretieren: „Die ermittelten Werte von 66 Euro pro ausgestoßenem  Kilo CO2 und 81 Cent pro verbrauchtem Kubikmeter Wasser sind keine mathematisch exakten Größen, sondern ein Maßstab, den wir aus einer Vielzahl an Daten und Informationen generiert haben“, erklärt PwC-Partner Werner.

Insgesamt kommt Puma bei einem Umsatz von 2,7 Milliarden Euro im ersten Schritt auf Umweltkosten von 94,5 Millio-nen Euro – allerdings fallen davon mehr als 80 Prozent entlang der Lieferkette an. Der Großteil entsteht gleich beim Anbau der Rohstoffe. Puma hat angekündigt, bis 2015 den Ausstoß von CO2, Energie und Wasser im Kerngeschäft und auf der Tier-1-Lieferantenebene um 25 Prozent senken zu wollen. Bei vorgelagerten Zulieferern sollen Kooperationen helfen, die Umweltschäden zu verringern.

Doch in welchem Umfang würden die Umweltkosten von 94,5 Millionen Euro in Pumas Finanzberichte einfließen? „Wir diskutieren zurzeit darüber, wie man diese Kosten in der wirtschaftlichen GuV abbilden würde“, sagt Hengstmann. Eins zu  eins könne man sie nicht übernehmen: „Man muss schauen, welche Stelle für welchen Anteil der Kosten verantwortlich  ist, und das entsprechend herunterrechnen.“ Auf Puma selbst, das im vergangenen Jahr einen Konzerngewinn von 202 Millionen Euro gemacht hat, würden dann noch 7,2 Millionen Euro entfallen.

Auch über Kompensationsmöglichkeiten will sich das Unternehmen Gedanken machen: „Wir kennen zwar die Umweltkosten, aber die Natur hat kein Bankkonto, über das man Schäden begleichen könnte.“ Noch komplexer wird es bei den sozialen Kosten wie Lohn- und Gesundheitskosten. Hier will Puma 2012 ein Modell präsentieren. Bis alle Zahlen vorliegen, wird es noch länger dauern. Viele Daten muss das Unternehmen von Zulieferern beschaffen und  regelmäßig aktualisieren. „Dafür müssen die Abteilungen für Finanzen und für Nachhaltigkeit unbedingt zusammenarbeiten“,  sagt Hengstmann.

Tool für das Risikomanagement

Ist Puma mit dem Mammutprojekt Pionier oder einsamer Rufer? PwC-Partner Werner hält es für gut möglich, dass auch andere  Unternehmen bald durch gesetzliche Regelungen zu einem  ausführlicheren ökologischen Statement angehalten werden – wenn auch nur in Bezug auf die Menge der verbrauchten Ressourcen. Eine Bewertung  der Umweltkosten hingegen hält erfür „sehr aufwendig und daher schwer  vorzuschreiben“.

Puma glaubt, von dem Großprojekt profitieren zu können, nicht nur aus Imagegründen. „Wir können anhand der besseren Datenlage unser  Risikomanagement  optimieren“, sagt Hengstmann. „Zum Beispiel können wir früh erkennen, wenn in einem Land die Wasserressourcen  knapp werden. Das hat dann oft steigende Rohstoffpreise oder sogar  Versorgungslücken zur Folge.“ In diesen Vorteilen liegt auch eine Chance, den Aktionären die neue Methode schmackhaft zu machen. Denn Umweltinteressen und das Interesse an hoher Rendite  sind nicht leicht in Einklang zu bringen. 
 

Das könnte sich ändern, wenn die Umweltkosten in die Berechnungen einfließen. So produziert Puma etwa 90 Prozent der Waren in  Asien. Dort sind die Löhne niedriger als in Deutschland, dafür muss ein Kubikmeter Wasser teurer bewertet werden, da Wasser knapper ist. Was also passiert, wenn die Verfügbarkeit von Wasser sich verschlechtert? Könnte dann ein Produktionsstandort mit höheren Löhnen, aber besserer Ressourcenausstattung wieder interessanter werden? „Das ist eine Überlegung wert“, sagt Hengstmann. „Wenn wir alle Werte komplett haben, könnte es je nach Ergebnis darauf hinauslaufen, dass Produktionsstandorte auf den Prüfstand kommen. Wenn ein Umweltgut in einem Land einen Preis bekommt, verändert das auch die Bewertung des Standorts.“ Eine Argumentationshilfe für Puma kann die Einrechnung des vom Unternehmen erbrachten Mehrwerts sein: „Wenn man die negativen Umwelteffekte den positiven Effekten wie neuen Arbeitsplätzen oder Steuerzahlungen gegenüberstellt, hat man eine gute Diskussionsgrundlage“, sagt Werner. „Wenn die positiven Effekte überwiegen, hilft es dem Unternehmen womöglich, ein Projekt vor Ort durchzusetzen.“ 

sabine.reifenberger(*)finance-magazin(.)de

Info

Das Konzept

Die ökologische und soziale Gewinn- und Verlustrechnung soll in drei Stufen zunächst einen ökonomischen Wert für die Umweltauswirkungen von  CO2-Ausstoß, Wasserverbrauch, Flächennutzung, Abfall sowie dem Verursachen von saurem Regen und Smog abbilden. Die sozialen Kosten umfassen Themen wie faire Löhne, Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit, ein  Bewertungsmodell für diese Aspekte gibt es noch nicht. Diese Auswirkungen werden dem Nutzen gegenübergestellt, den das Unternehmen an einem Standort  schafft.