Als im Juli 2014 die neue Bilanzregel IFRS 9 beschlossen wurde, haben sich viele CFOs gefreut. Das war ungewöhnlich, denn meistens stehen Unternehmen neuen Bilanzierungsregeln skeptisch gegenüber. Schließlich verursachen sie meist viel Arbeit und Kosten, so wie bei der neuen Umsatzbilanzierung IFRS 15 oder der neuen Leasingbilanzierung IFRS 16.
Doch der Standard IFRS 9, der die Rechnungslegung von Finanzinstrumenten regelt, verspricht gute Nachrichten, weil er die Bilanzierung des Hedgings verbessert. So soll es künftig möglich sein, auch einzelne Komponenten eines Geschäfts abzusichern – zum Beispiel den Rohölpreis. Das ermöglicht ganz neue Hedging-Strategien und erfreut insofern neben dem CFO auch den Treasurer.
Der neue Standard sollte ab Januar 2018 verpflichtend gelten, doch auch eine frühere Anwendung auf freiwilliger Basis war erlaubt. Einzig das Endorsement, also die Anerkennung durch die EU, stand noch aus. Eigentlich ist das OK aus Brüssel für Bilanzierungsregeln nur eine Formalie. Doch dieses Mal ist es anders: Das Endorsement, das schon für 2015 geplant war, ist immer noch nicht durch. Dabei gab es schon mehrere Termine, auf denen die Entscheidung zur Anerkennung getroffen werden sollte, doch es kam stattdessen immer wieder zu Verzögerungen. Solange IFRS 9 aber nicht von der EU anerkannt wird, ist eine vorzeitige Anwendung nicht erlaubt.
IFRS 9: Unternehmen können nicht vorzeitig anwenden
„Viele Unternehmen wollten IFRS 9 vorzeitig anwenden, um von der besseren Hedging-Regelung zu profitieren. Die Verzögerungen sind für diese Unternehmen daher besonders ärgerlich“, sagt Jens Freiberg von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Und es könnte noch schlimmer kommen: Wenn das Endorsement nicht bald erfolgt, könnte sogar der Erstanwendungszeitpunkt im Januar 2018 verschoben werden, weil dann zu wenig Zeit für die Umsetzung bleibt.
Der Grund für die Verzögerung ist die Versicherungsbranche. Diese ist ebenfalls von IFRS 9 betroffen, der die Aktivseite regelt. Sie ist aber auch von dem neuen Standard IFRS 4 betroffen, der die Versicherungsverträge auf der Passivseite regelt. Während IFRS 9 schon verabschiedet ist, ist IFRS 4 noch nicht durch. Dadurch wird es unterschiedliche Zeitpunkte des Inkrafttretens geben, wogegen sich die Versicherer wehren, weil das eine erhebliche Mehrarbeit verursachen würde.
Die Versicherer wollen deswegen, dass für sie der Erstanwendungszeitpunkt von IFRS 9 verschoben wird. Weil es aber nicht ohne weiteres möglich ist, innerhalb der EU die Anwendung eines einzigen Standards für verschiedene Branchen unterschiedlich zu regeln, steckt der Prozess aktuell in Brüssel fest.
Banken stecken schon mitten in der Implementierung von IFRS 9
Doch nicht nur die Unternehmen ärgern sich über die Verzögerung, sondern auch die Banken. „Viele Banken stecken gerade mitten im Implementierungsprozess. Sie ärgern sich über die Verzögerung des Endorsements, weil sie jetzt nicht wissen, ob der Erstanwendungszeitpunkt nicht möglicherweise verschoben wird“, sagt Jens Freiberg von der Wirtschaftsprüfung BDO. Diese Planungsunsicherheit erschwert die Umstellung zusätzlich. Die neuen Regelungen verursachen besonders viel Umstellungsarbeit bei den Finanzinstituten, weil sie stark in die bisherigen Bilanzierungsvorgänge eingreifen.
Neben dem Thema Hedging regelt IFRS 9 auch, wie Vermögenswerte bewertet werden müssen. Künftig werden die Banken ihre Forderungen vermehrt zum Fair Value statt zu Anschaffungskosten ausweisen müssen – sie müssen also früher abbilden, wenn es zu Wertminderungen ihrer Forderungen kommt. Das kann die Bilanz eintrüben. Im Gegensatz zu den Unternehmen, die sich über neuen Hedging-Möglichkeiten freuen, stellt der Standard IFRS 9 für Banken daher eher eine Belastung dar.
Der nächste Termin für das Endorsement ist jetzt für den kommenden Mai anberaumt. Wenn dort eine positive Entscheidung getroffen wird, dürfte es doch noch beim Erstanwendungszeitpunkt im Januar 2018 bleiben, glaubt Freiberg. CFOs und Treasurer dürfen dann aufatmen.
Info
Es herrscht viel Bewegung bei den internationalen Bilanzierungsregeln IFRS. Welche Neuerungen gibt es, welche Unternehmen sind besonders betroffen und wie gehen CFOs die Umstellungen am besten an? Bleiben Sie auf dem Laufenden mit der FINANCE-Themenseite zu IFRS.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.