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Coronavirus: Wie sich Controller jetzt profilieren können

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Auch das Controlling ist in der Corona-Krise gefragt. Worauf kommt es jetzt an?
Ca-ssis/iStock/Getty Images

Herr Kappes, das Coronavirus stellt Unternehmen und ihr Controlling vor extreme Herausforderungen – eine Planung selbst für die kommenden Wochen scheint fast unmöglich. Wie müssen Controller jetzt reagieren?
Im besten Falle aktualisieren die Controller schnell und zuverlässig den Forecast und liefern dem Management sowie dem CFO Handlungsempfehlungen. Dazu brauchen sie vor allem eins: ein integriertes Planungsmodell, das simulationsfähig ist und sich flexibel anpassen und erweitern lässt.

Können Sie das erläutern?
Viele Controller machen nur eine Finanzsimulation, aus der sie Erkenntnisse ableiten wie „weniger Umsatz gleich weniger Ergebnis“ – das sind aber keine Erkenntnisse, die in der Corona-Krise weiterhelfen. Ein integriertes Planungsmodell dagegen betrachtet alle relevanten Bereiche, etwa die Supply Chain.

Was für Fragen beantwortet so ein Modell?
Welche Probleme und Restriktionen könnten auftreten? Was heißt das für die Liquidität? Und an welchen verschiedenen Stellschrauben kann man jetzt drehen? Ist ein solches Modell simulationsfähig, können die Controller damit verschiedene Szenarien entwickeln, die jetzt bei der Entscheidung, mit welchen Mitteln man gegensteuert, helfen. Je nach Komplexität der Situation und Leistungsfähigkeit des Modells können die Unternehmen dann innerhalb einiger Stunden oder weniger Tage akkurat mit Gegenmaßnahmen auf die Krise reagieren. Natürlich müssen die Szenarien bei neuen Ereignissen immer wieder schnell aktualisiert werden.

Simulationsmodelle können Controllern helfen

Die Vorarbeit für ein Simulationsmodell klingt nach viel Arbeit und ist in einer Krise für Controller nicht ad hoc umsetzbar, oder?
Bis zu einem Simulationsmodell ist es in der Tat ein großer zeitlicher Schritt. Basis sollte ein integriertes Planungsmodell bilden, dessen Aufbau regelmäßig ein halbes Jahr beansprucht. Für das darauf aufbauende Simulationsmodell sind dann noch einmal drei bis vier Monate zu rechnen. Moderne Cloud-Tools beschleunigen aber die Umsetzung der Modelle und sorgen für mehr Flexibilität. 

Info

Wie sieht ein Simulationsmodell aus?

• Controller entwickeln zunächst Szenarien mit relevanten Treibern und Parametern aus einem „Base Case“ und leiten daraus Maßnahmen ab. Die Modelle ermöglichen es dann, die Treiber und Parameter auf die konkrete Situation des Unternehmens anzuwenden (zum Beispiel einen Rückgang des Verkaufsvolumens in China um 80 Prozent). Das zeigt den Controllern direkt die finanziellen Konsequenzen auf GuV, Bilanz oder Cashflow-Rechnung.

• Controller sollten mit dem Modell alle relevanten Unternehmensfunktionen abdecken und auch Prozesse aus Sales & Operations integrieren.

• Komplexe Simulationsmodelle brauchen professionelle IT-Systeme. Im Idealfall können Management und Controlling gemeinsam am System verschiedene Szenarien „durchspielen“ und direkt die finanzielle Bewertung sehen. Entsprechende Systeme gibt es zum Beispiel auf Basis von SAP Analytics Cloud, Anaplan oder Jedox.

Wie viele Unternehmen haben denn so ein Modell?
Ich schätze, ein richtiges Simulationsmodell haben maximal 10 bis 20 Prozent der deutschen Unternehmen. Eine einfache Excel-Berechnung reicht hier nicht aus. Leider haben nur wenige Unternehmen aus der Finanzkrise 2008/2009 gelernt, dass sich die Investition in so ein Modell rentiert – nicht nur in Krisenzeiten, sondern generell in einer immer unsichereren Umwelt. Vorreiter ist hier die Versicherungsbranche, die regulatorisch dazu verpflichtet ist, Stress-Tests auf Basis verschiedener Extremszenarien durchzuführen. Einige Versicherungsunternehmen, zum Beispiel die Swiss Re, haben vor diesem Hintergrund Modelle etabliert, die neben regulatorischen Anforderungen nun auch vielfältige Management-Fragestellungen abdecken können – nicht zuletzt auch in Krisensituationen. 

Was können Controller, die nicht so ein Simulationsmodell haben, jetzt in der Coronakrise machen?
Letztlich können grobe Szenarien auch mit Hilfe von Finanzmodellen erstellt werden. Dabei müssen dann zum Beispiel die Logistikverantwortlichen oder der Personalbereich zumindest einen Teil der Größen liefern. Das Modell wird also mit ihnen zusammen erarbeitet. Ein solches Vorgehen führt ebenfalls zu Szenarien, die aber starrer und unflexibler sind. Andererseits dürften solche gemeinsamen Vorhaben der funktionsübergreifenden Kommunikation helfen. 

Wie Controller zum Sparringspartner des CFOs werden

Welche Auswirkungen hat Corona auf die Reputation der Controller?
Jetzt zeigt sich die Leistungsfähigkeit des Controllings im Unternehmen. Wenn die Controller mit neuen Entwicklungen und komplexen Szenarien schnell umgehen, können sie sich profilieren und zum Business Partner des CFOs werden. Wenn ihnen das nicht gelingt, riskieren sie es, nicht mehr ernst genommen zu werden und sich nicht als rechte Hand des CFOs zu beweisen. Überforderte Controller werden dann sozusagen „disqualifiziert“, und das Management versucht es alleine. Das macht den Controller-Job gerade zusätzlich stressig.

Was sollte das Controlling aus der Coronakrise mitnehmen?
Die Finanzabteilungen sollten umfassende Simulationsmodelle auf breiter Front etablieren. Während der Finanzkrise haben Unternehmen beispielsweise stark auf Top-down-Planungen gesetzt, also die Vorgabe der Ziele seitens des Managements von oben. Etwa ein Drittel hat dies danach beibehalten und so die Effizienz deutlich erhöht. Die Coronakrise könnte nun dafür sorgen, dass mehr Unternehmen umfassende Simulationsmodelle einführen und auch beibehalten. Ich gehe davon aus, dass sich dadurch in Zukunft Arbeitsweise und Rolle des Controllings ändern werden.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Michael Kappes ist Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners. Er ist spezialisiert auf Controlling- und Steuerungsprozesse.

Mehr über die Corona-Krise und die neuesten Entwicklungen finden Sie auf unserer Themenseite Coronavirus.

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.