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Vor der Insolvenz ist detaillierte Liquiditätsplanung gefragt

Wenn es kurz vor Zwölf ist: Eine gute Liquiditätsplanung verringert das Haftungsrisiko für den Geschäftsführer.
Thinkstock / Getty Images

Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig ist, besteht für die Geschäftsführung die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. In verschiedenen Urteilen wurde die Zahlungsunfähigkeit so definiert, dass ihr Eintritt dann erfolgt, wenn ein Unternehmen über einen Zeitraum von 3 Wochen, 10 Prozent und mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bedienen kann. Wenn die Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen behoben werden kann, spricht man von Zahlungsstockung. Diese ist zwar auch beunruhigend, aber kein zwingender Grund, einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit stellen zu müssen.

Es gibt dringende Gründe, warum ein Geschäftsführer oder CFO sich intensiv mit der Liquiditätsplanung beschäftigen muss. Wenn er den Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung hinauszögert, kann der Geschäftsführer den Gläubigern persönlich mit seinem Privatvermögen haften. Zu allem Überfluss trägt der Geschäftsführer auch die Beweislast dafür, dass er den Insolvenzantrag nicht schuldhaft verschleppt hat.

Kommt es zu einer Insolvenz, so ist es heute bei vielen Insolvenzgerichten die Regel, dass sowohl der Insolvenzrichter als auch ggf. bereits die Staatsanwaltschaft in einer ersten oberflächlichen Prüfung nach Anzeichen von Insolvenzverschleppung oder Bankrottdelikten sucht.
Außerdem können  Gläubiger Anzeige wegen Insolvenzverschleppung stellen und die Staatsanwaltschaft wird daraufhin Ermittlungen aufnehmen. Auf der sicheren Seite ist der Geschäftsführer, wenn er darlegen kann, wie er die Liquiditätsplanung erstellt hat und welche Annahmen er dabei getroffen hat. Wenn der Geschäftsführer sich überdies einen unabhängigen Berater ins Haus holt, um die Planung zu überprüfen, plausibilisieren und dokumentieren, reduziert er sein Haftungsrisiko erheblich.

Detaillierte Liquiditätspläne reichen über drei Monate.

Um die Zahlungsfähigkeit zu beurteilen, geht man zunächst vom aktuellen Liquiditätsstatus aus. Falls dieser keine Zahlungsunfähigkeit erkennen lässt, könnte die Analyse an der Stelle streng genommen beendet werden. Falls eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, muss der Geschäftsführer im 21-Tage Plan nachsehen, ob die Zahlungsfähigkeit in diesem Zeitraum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wiederhergestellt werden kann. Ist dies nicht der Fall, besteht die Pflicht, unmittelbar einen Insolvenzantrag zu stellen.

Allerdings bietet ein 21-Tage Plan keine Sichtbarkeit auf die weitere Entwicklung der Unternehmensliquidität. Instrumente, wie das Schutzschirmverfahren, sind nur verfügbar, wenn eine drohende Zahlungsunfähigkeit früh genug erkannt wird. Überhaupt steigt die Chance auf eine Rettung des Unternehmens und der Arbeitsplätze enorm, wenn frühzeitig an Lösungen gearbeitet wird und der Geschäftsführer nicht darauf wartet, dass das Unternehmen in der Zahlungsunfähigkeit steckt.

Eine rollierende, detaillierte Liquiditätsplanung über 13 Wochen hat sich als hilfreich erwiesen. Dieser Zeitabschnitt ist gut planbar und erlaubt ein Gegensteuern bei etwaigen zu erwartenden Lücken.

Die Annahme, dass Liquiditätsengpässe innerhalb von drei Wochen beseitigt werden können, ist fraglich. Maßnahmen wie zusätzliche Bareinlagen der Gesellschafter, neue Kredite, Verkauf von Aktiva oder Stundungen von Gläubigern haben fast immer einmaligen Charakter und die Erfolgswahrscheinlichkeit kann man oft nicht aus der Vergangenheit ableiten. Zudem kann deren Umsetzung länger dauern und für die bestehende oder drohende Liquiditätslücke keinen Effekt mehr haben. Hier ist die schriftliche Dokumentation der geführten Gespräche und konkreten Angebote besonders wichtig. Bei manchen Maßnahmen ist auch die Erstellung eines Sanierungsgutachtens nach IDW S6 notwendig.

Nicht angemahnte Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen

Es kommt nicht darauf an, ob ein Gläubiger mahnt oder gar Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreift. Einzig die Frage, ob die Verbindlichkeit fällig ist oder nicht, ist planungsrelevant. Das Stillhalten eines Gläubigers kann als Stundung gedeutet werden, allerdings ist dies eine Frage der persönlichen Beurteilung und daher nicht sicher. Im Zweifelsfall müsste der Geschäftsführer belegen, dass es eine wirksame Stundung gab. In der Praxis sollten Verbindlichkeiten nur dann aus der Planung verschwinden, wenn es eine schriftliche Stundungserklärung des Gläubigers gibt.

Auch wenn sich ein Gläubiger selbst in der Insolvenz befindet, ist dies kein Grund, diese Verbindlichkeiten aus dem Finanzstatus zu entnehmen. Durch die Insolvenz erlischt die Forderung nicht.

Eine weitere Besonderheit stellen Verbindlichkeiten dar, die keine definierte Fälligkeit besitzen. Hier ist zunächst von einer sofortigen Fälligkeit auszugehen.

Insgesamt ist eine Verbindlichkeit dann fällig, wenn der Schuldner zur Zahlung vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist und es keine Einrede gibt. In speziellen Fällen müssen Fälle individuell beurteilt werden. So ist etwa die Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens nicht fällig, unabhängig davon, was im Darlehensvertrag vereinbart wurde.

Die adäquate Erlösplanung preist Wahrscheinlichkeiten ein

Bei der Erlösplanung ist zuerst von den bereits vereinbarten Erlösen auszugehen. Wir orientieren uns an den bisherigen Zahlungszielen der Kunden. Es ist nicht sicher anzunehmen, dass die Kunden in der Krise schneller zahlen. Falls es Anzeichen gibt, dass die Kunden Zahlungen hinauszögern, muss dies berücksichtigt werden.

Bei noch nicht vereinbarten Erlösen sind Vergangenheitswerte heranzuziehen wie der Auftragsstand, Trends, Aussagen von Großkunden usw.. Leider können Krisen Teufelskreise auslösen, weil Kunden dem Unternehmen Aufträge entziehen. Dies sollte der Liquiditätsplan adäquat berücksichtigen. Bei der Planung sind konservativ-realistische Annahmen zu treffen. Regelmäßig stellt sich die Frage, ob es bei einem Ergebnis überwiegend wahrscheinlich ist, dass es eintritt oder nicht.

Auch wenn gezahlt wird, kann Zahlungsunfähigkeit drohen.

Es kommt zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nicht darauf an, was tatsächlich bezahlt wird, sondern für welchen Umfang der fälligen Verbindlichkeiten ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen.

Wenn ein Unternehmen zahlungsunwillig ist, ergibt sich daraus alleine ebenfalls keine Zahlungsunfähigkeit. Allerdings können Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen, wenn ein Unternehmen seine Zahlungen einstellt.

Guthaben, die Unternehmen in Cashpools eingezahlt haben, stellen nicht automatisch liquide Geldmittel dar. Der Geschäftsführer des einzahlenden Unternehmens muss sich zusätzlich die Konzerncashplanung anschauen, um abzuschätzen inwiefern diese Mittel zur Verfügung stehen. Vorsicht ist dringend geboten, wenn es insgesamt im Konzern eine angespannte Liquiditätslage gibt.

Auch bei verbundenen Unternehmen sind fällige Verbindlichkeiten nur dann aus der Liquiditätsplanung herauszunehmen, wenn es schriftliche Stundungserklärungen gibt.

In der Unternehmenskrise muss es für Geschäftsführer oder CFOs, auch zur eigenen Absicherung, vorrangig sein, eine im Sinne der Insolvenzordnung aufgestellte rollierende Liquiditätsplanung aufzustellen. Zusammen mit der Dokumentation ist sie das wichtigste Instrument mit dem der Geschäftsführer darlegen kann, dass das Unternehmen nicht zahlungsunfähig war. Eine solche Liquiditätsplanung von Zeit zu Zeit von einem unabhängigen Berater überprüfen zu lassen, verringert das Haftungsrisiko für einen Geschäftsführer erheblich.

redaktion[at]finance-magazin.de

Alain Fux ist Geschäftsführer bei One Square Advisors, München.