Bunte Fotos, jubelnde Spieler, Konfettiregen aus der Fankurve: Man kann den Schalkern nicht vorwerfen, dass sie ihr schnödes Zahlenwerk nicht knackig präsentieren. Zu Recht, denn die Knappen müssen sich mit ihren Geschäftszahlen des vergangenen Jahres nicht verstecken: Ein Umsatzanstieg um 16,1 auf 206,8 Millionen Euro – vor allem wegen höherer Transfer- und Sponsoringerlöse – und unterm Strich die Rückkehr zu einer schwarzen Null nach einem Fehlbetrag von 8,9 Millionen Euro im Jahr davor sind in Ordnung. Das sieht schon besser aus als die Angriffsbemühungen der Schalker im Derby vom Dienstag.
Natürlich finden bilanzaffine Fußfallfans im Jahresabschluss von S04 auch wieder Antworten auf Fragen, die die Manager vor den Fernsehkameras so gekonnt umkurven wie einst Ernst Kuzorra– nach einem nicht genehmigten Kneipenbesuch – dem Ernst Kuzorra seine Frau.
Beginnen wir mit der GuV. 1,6 Millionen Euro: So viel Handgeld ist im vergangenen Jahr vom FC Schalke an Spielervermittler geflossen. Dank einer neuen Bilanzierungsvorschrift – im Vorjahr musste Schalke diese Zahlungen noch nicht gesondert ausweisen – bekommen wir nun also endlich einen Eindruck von dem Ausmaß, in dem die Spielerberater in die Kassen der Klubs greifen, nicht nur bei Schalke.
Auch interessant, weil bislang erst angedeutet: 6,6 Millionen Euro hat der leidige Dachschaden an der Veltins-Arena die Schalker 2013 noch einmal gekostet. Und Schalke-CFO Peter Peters ließ die Renovierung fast komplett fremdfinanzieren (6,3 Millionen Euro). Das erklärt, warum die Schulden von 173 auf 178 Millionen Euro angestiegen sind, anders als vom Management versprochen, das bei der Ausgabe der Mittelstandsanleihe vor zwei Jahren noch einen sukzessiven Abbau des Schuldenbergs in Aussicht gestellt hatte.
Wie einst bei Günter Eichberg?
Damit sind wir auch schon mitten in der Bilanz. Und die sieht auf den ersten Blick übel aus, wie aus der Zeit des Sonnenkönigs Günter Eichberg, Vereinslegende und Millionenjongleur. Der Schalke-Konzern (inklusive der Veltins-Arena) weist ein negatives Eigenkapital von 75,7 Millionen Euro aus. Damit haben schon gewieftere Finanzmanager als die Schalke-Oberen den Gang zum Insolvenzgericht antreten müssen.
Aber wie immer bei den Bilanzen von Fußballklubs lohnt sich ein zweiter Blick. Die Arena steht mit rund 100 Millionen in der Bilanz, das ist konservativ. Der Spielerkader wird mit 42,2 Millionen Euro angesetzt, weil Schalke hier nur die gezahlten Ablösesummen für Spieler aktivieren darf. Laut den Schätzungen von transfermarkt.de hat der Schalke-Kader aktuell allerdings einen Marktwert von 186 Millionen Euro. Aber Vorsicht: Diese Schätzung ignoriert, dass Spieler trotz eines hohen Marktwerts nach Vertragsablauf ablösefrei wechseln können.
Dennoch: Wenn die jungen Talente aus der Knappenschmiede wie Julian Draxler, Max Meyer und Joel Matip weiter so gut kicken wie zuletzt, könnte sich der geschätzte Marktwert des Kaders tatsächlich als einigermaßen realistisch erweisen. Weil Schalke für sie keine Ablösesummen zahlen musste, ist der Bilanzansatz der drei Jungstars ja Null. Laut Transfermarkt.de kommen sie zusammen aktuell aber auf einen Marktwert von 51 Millionen Euro. Das ist kaum mehr als die festgeschriebene Ablöse, die Schalke alleine für Draxler kassieren würde (45,5 Millionen Euro) – aber der Fußballgott allein weiß, wie viel davon Draxlers Spielerberater abgreifen würden.
Dem stehen zusätzlich noch Transferschulden von 17 Millionen Euro gegenüber. Die Forderungen von 5,7 Millionen, die Schalke aus vergangenen Transfers noch ausweist, kann der Klub wohl abschreiben. Rund 4 Millionen Euro davon entfallen auf den Verkauf von Rafinha an den FC Genua im Sommer 2010. Doch von der Kohle ist noch so gut wie nichts geflossen. Und wer weiß, wie gut die Italiener im Mauern sind, kann sich ausrechnen, wie gut die Aussichten der Schalker sind, die Rafinha-Millionen jemals zu kassieren.
Dennoch dürften die stillen Reserven der Schalker das negative Eigenkapital deutlich übersteigen, zumal ja auch noch die nicht voll bilanzierten Werbe- und Cateringrechte hinzu kommen, die einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag wert sein dürften.
Schalke plant mit dem Szenario des HSV
Richtig interessant zu lesen ist der Prognosebericht. Das Basisszenario ist ein Schock: CFO Peters rechnet für 2014 mit einem Umsatzeinbruch von fast 10 Prozent und einem Jahresverlust von knapp 20 Millionen Euro.
Doch die Grundannahmen, mit denen Peters zu diesen Zahlen kommt, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er plant mit Platz 4 in der Bundesliga in der laufenden Saison und Platz 6 am Ende der nächsten. In den Playoff-Spielen zur Champions League wird der FC Schalke ausscheiden und in der Europa League, in die die Knappen dann absteigen würden, gerade mal so eben die Gruppenphase überstehen, bevor die Truppe dann ausscheidet. Im DFB-Pokal kommt der K.o. in der zweiten Runde, und Transfererlöse wird es auch nicht geben.
Aber das ist nicht Schalke 04, das klingt eher nach der Basisplanung des Hamburger SV. Alle CFOs, die für sich in Anspruch nehmen, konservativ zu planen, können sich bei Schalke-CFO Peter Peters definitiv eine Scheibe abschneiden.
Denn: Allein das Erreichen der Champions League würde das Schalke-Ergebnis um 15 bis 18 Millionen Euro verbessern, schreibt Peters. Und wenn dann im Sommer tatsächlich Draxler für 45,5 Millionen Euro nach England oder Spanien gehen sollte, könnte sogar der höchste Jahresüberschuss aller Zeiten herauskommen.
Es sieht so aus, als hätten CFO Peter Peters und Macher Clemens Tönnies in den letzten Jahren nicht nur das Stadiondach, sondern auch den Rest des Schalke-Reichs wetterfest gemacht. Jetzt fehlt nur noch der versprochene Schuldenabbau – und eine Tabellenplatzierung vor dem schwarz-gelben Reviernachbarn.
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