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Anzeichen für Zinswende verdichten sich

EZB-Präsident Mario Draghi sprach am Montag vor dem Auschuss für Wirtschaft und Währung
Sergio Garcia/Europäische Zentralbank

Obwohl die US-Notenbank in der vergangenen Nacht schon zum dritten Mal in diesem Jahr den Leitzins erhöht hat, behält der Euro seine jüngst wiedergefundene Stärke. Trotz marginaler Kursverluste in der vergangenen Nacht hat aufkommende Zinsfantasie den Euro zum Dollar in den vergangenen zwei Wochen um 2 Cents aufwerten lassen.

Grund dafür war eine Passage aus einer Rede von EZB-Chef Mario Draghi vor einem Ausschuss des Europaparlaments. Dort sprach er von einem „relativ kräftigen Anstieg“ der Kerninflation in der Eurozone.  Seitdem halten sich hartnäckig Interpretationen, wonach die EZB schon früher als geplant die Zinswende einläuten könnte. Bislang stellt Draghi diesen Schritt vage für Sommer oder Herbst nächsten Jahres in Aussicht.

In derselben Rede, in der die Aussage zur anziehenden Kerninflation fiel, erteilte Draghi einem schnellen Ende der akkommodierenden Zinspolitik aber auch gleich wieder eine eindeutige Absage. Am Dienstag dieser Woche bestätigte EZB-Chefökonom Peter Praet diese Position bei einer Veranstaltung in London. Draghi sei von einigen Medien und Marktteilnehmern „missinterpretiert“ worden, warnte der belgische EZB-Mann.

Zinswende: Die EZB bleibt bei Sommer 2019

Während der Devisenmarkt ungeachtet von Praets Aussagen eher eine Verschärfung der Geldpolitik in der Eurozone spielt, entwickeln sich die Euro-Bondmärkte in die andere Richtung: Dort deutet sich gerade eine Trendumkehr bei den Anleihe-Spreads an, sowohl bei Highyield- als auch bei Investmentgrade-Papieren.

Zwischen Februar und Ende August hatte der Investmentgrade-Spread von 35 auf 75 Basispunkte angezogen, der Highyield-Spread von 200 auf über 300 Basispunkte. Seit zwei Wochen fallen die Spreads wieder, und zumindest Hochzinsanleihen weisen damit wieder eine positive Rendite seit Jahresbeginn auf. Dies spricht für einen Wiederaufbau der Risikobereitschaft bei den Bondinvestoren, die offenbar nicht mit einem Vorziehen der Zinswende rechnen.

Anderswo werden die Zügel bereits gestrafft

Allerdings verändert sich das internationale geldpolitische Klima gerade dynamisch. So hat die Tschechische Nationalbank CNB gestern ihren Leitzins schon zum fünften Mal seit Sommer 2017 erhöht. Nach einer Erhöhung um 25 Basispunkte auf jetzt 1,5 Prozent liegt der Leitzins in Tschechien so hoch wie seit  Juni 2009 nicht mehr. Der Grund dafür: Konjunktur, Immobilien- und Arbeitsmarkt in Tschechien drohen zu überhitzen.

Auch die norwegische Zentralbank hat  vor wenigen Tagen ihren Leitzins erstmals wieder angehoben. Seit dem Frühjahr 2016 lag der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. Die Wirtschaftslage in Norwegen ist gut, trotzdem ist dieser Schritt erstaunlich, da sich die Norweger – ähnlich wie die Schweizer und die Schweden – in ihrer Geldpolitik üblicherweise stark an der EZB orientieren, um ihre Währungen nicht zu Fluchtwährungen werden zu lassen. Während in Schweden eine Zinswende zumindest verbal vorbereitet wird, bleibt die Geldpolitik der Schweizer Notenbank unverändert expansiv.

Wachsende Zinskluft erhöht den Druck

In Anbetracht der immer stärker auseinander klaffenden Zinspolitik dies- und jenseits des Atlantiks wächst an den Märkten aber auch die Unsicherheit, wann die zunehmende Zinsdifferenz in einer gewitterartigen Korrektur enden könnte – und wie schwer ein solches Gewitter dann ausfallen würde.

Schon jetzt liegt die Leitzinsspanne in den USA bei 2,00 bis 2,25 Prozent – eine so große Leitzinsdifferenz zwischen Dollar- und Euroraum hat es nur selten gegeben. Und erwartet wird, dass die Fed, die ihren Wachstumsausblick für die US-Wirtschaft gestern Abend schon wieder deutlich angehoben hat, im Dezember ein weiteres Mal an der Zinsschraube drehen wird. Für 2019 stellt die US-Notenbank schon jetzt drei weitere Zinsschritte in Aussicht. Bis zum Vorabend der EZB-Zinswende Mitte nächsten Jahres könnte die Leitzinsdifferenz daher ohne Weiteres bis auf 300 Basispunkte angeschwollen sein.

Dies dürfte den Notenbankern auf beiden Seiten des Atlantiks Druck bescheren – den amerikanischen, eine Pause einzulegen, Draghis EZB-Direktorium, die Zinswende vorzuziehen. Und auch der Ölpreis weckt Zinsfantasien: Das Überwinden der 80-Dollar-Marke der Rohölsorte Brent beginnt die Hoffnungen der EZB zunichte zu machen, dass sich die Headline-Inflationsrate in den nächsten Monaten wie bislang erwartet spürbar abschwächen wird.

In Deutschland lag die Inflation im September ersten Auswertungen des Statistischen Bundesamts zufolge bei 2,3 Prozent, so hoch wie seit November 2011 nicht mehr. Es ist der fünfte Monat in Folge mit einer 2 vor dem Komma.