Die Coronavirus-Epidemie hat unzählige Facetten. In riesiger Menge schwirren Zahlen herum – zum Teil sind sie ausgesprochen aufschlussreich. In unserer neuen Rubrik „Corona-Statistiken“ fassen wir für Sie wichtige und interessante aktuelle Daten aus den verschiedensten Feldern zusammen – nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch aus Wissenschaft und Gesellschaft.
Flugverkehr: Rückgang in China nur noch 40 Prozent
Bis Mitte April hat die Lufthansa ihren Flugplan um rund 95 Prozent ausgedünnt, die wenigen Langstreckenflüge starten nur noch von Frankfurt und Zürich aus. Bei anderen Airlines liegen die Kapazitätskürzungen in ähnlicher Höhe. Aber während Europa und Amerika den Luftverkehr praktisch einstellen, zeigen in China, wo der Höhepunkt der Epidemie überschritten ist, die Daten wieder nach oben. In den vergangenen drei Wochen pendelten sich die Rückgänge im Flugverkehr gegenüber der jeweiligen Vorjahreswoche bei rund 40 Prozent ein, mit abnehmender Tendenz. Als die Corona-Krise in China Mitte Februar ihren Höhepunkt erreichte, lagen die Rückgänge noch bei rund 75 Prozent.
Fraport: Eine halbe Milliarde weniger Cashflow
Warburg Research hat die finanziellen Folgen des Luftverkehrs-Groundings auf den Flughafenbetreiber Fraport modelliert. Unter der Annahme, dass über das Gesamtjahr gesehen 30 Millionen Menschen weniger den Frankfurter Flughafen nutzen werden (ein Rückgang von 40 Prozent), errechnet Warburg für die Heimatbasis von Fraport einen Gewinneinbruch (Ebitda) von 60 Prozent. Auf Konzernebene, wo auch noch diverse Auslandsflughäfen hinzukommen, muss Fraport-CFOMatthias Zieschang demnach in diesem Jahr mit 530 Millionen Euro weniger operativem Cashflow auskommen als geplant. Weil der Bau des dritten Terminals wie geplant weiterlaufen soll, droht die Nettoverschuldung von Fraport am Jahresende die Marke von 5 Milliarden Euro zu überschreiten, das wäre rund 1 Milliarde mehr als Ende 2018.
Trotzdem zeigt die Kalkulation Warburgs, wie robust das Geschäftsmodell von Fraport auch in der Corona-Krise ist: 2019 erwirtschafteten die Frankfurter einen Cashflow von 952 Millionen Euro. Wenn die Groundings nicht monatelang anhalten, dürfte also auch in diesem Krisenjahr noch nennenswert Geld in die Konzernkassen fließen.
Ölpreis: So niedrig wie 2003 nicht mehr
Erst brachen Russland und Saudi-Arabien einen Preiskrieg vom Zaun, wenige Tage später ließen die Groundings und Ausgangssperren die weltweite Ölnachfrage in den Keller rauschen – eine explosive Mischung, die den Ölpreis am Mittwoch auf den tiefsten Stand seit 17 Jahren abstürzen ließ. Brent markierte ein Tief bei rund 25 Dollar, die US-Sorte WTI drohte kurzzeitig sogar unter die Marke von 20 Dollar zu fallen.
Infiziertenzahlen: Südkorea schafft die Trendwende
Während in fast jedem Land der Welt die Infiziertenzahlen zum Teil sogar exponentiell ansteigen, ist nach China nun auch Südkorea die Trendwende gelungen – seit Mitte dieser Woche verzeichnet das Land nach Daten der Johns-Hopkins-Universität in Summe einen Rückgang der aktiven Fälle. Zwar haben die koreanischen Behörden in den vergangenen drei Tagen wieder mehr Neuinfizierte erfasst als in den Tagen davor, aber gleichzeitig wächst nun auch die Zahl der Geheilten. Die Folge: Am Donnerstag sank die Zahl der „aktiven“ Fälle auf 6.934. Am Mittwoch waren es noch 7.108. Weil nun auch die Zahl der Geheilten exponentiell zu steigen beginnt, besteht Anlass zur Hoffnung, dass dieser Trend anhält.
Dunkelziffer: Wie hoch ist der Faktor X?
Viele Infizierte verspüren bei einer Corona-Infektion gar keine oder nur leichte Symptome. Andere verspüren stärkere, sind aber noch nicht offiziell positiv getestet worden. Beide Gruppen machen jene Dunkelziffer aus, die die Ärzte und Virologen so sehr beunruhigt, weil von diesen Menschen der Virus am stärksten weitergegeben wird. Aus medizinischen Studien zur Inkubationszeit des Virus und aus Daten zum Beispiel aus China haben Statistiker errechnet, dass die Zahl der tatsächlich Infizierten in Deutschland um das Fünf- bis Zehnfache über den offiziellen Zahlen liegen dürfte. Daraus ergibt sich, dass sich in Deutschland vermutlich schon 75.000 bis 150.000 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt haben.
Dies erklärt auch, warum zum Beispiel in Italien die Patientenzahlen trotz der Ausgangssperre weiterhin stark ansteigen. Erst wenn die Infizierten im Schatten weitgehend identifiziert sind, ist nach Angaben von Wissenschaftlern mit einem Abflachen der Kurve zu rechnen. Sie stützen sich auf die Beobachtung, dass in China der Anteil der unentdeckten Infizierten zwischen dem 23. Januar und dem 8. März von 86 auf 40 Prozent sank. In China sind inzwischen auch fast 90 Prozent der Infizierten wieder gesund.
In China sank der Anteil der unentdeckten Infizierten von 86 auf 40 Prozent.
Impfstoffe: Europa produziert 76 Prozent
Unter Hochdruck laufen weltweit Dutzende Projekte zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Corona. In dieser Woche wurde erstmals einem Menschen ein experimenteller Impfstoff verabreicht. Die meisten Biotech- und Pharmakonzerne, die an einem Impfstoff forschen, planen, im Frühsommer mit klinischen Tests zu beginnen. Politiker und Virologen sind fest entschlossen, die Testphasen unbürokratisch abzukürzen und gegebenenfalls auch Risiken bei potentiellen Nebenwirkungen einzugehen.
Sollte es mit der Impfstoffproduktion losgehen, fände ein Großteil der Anstrengungen in Europa statt. 2019 wurden nach Daten von Vaccines Europa 76 Prozent aller Impfstoffdosen weltweit in Europa produziert, 13 Prozent in Nordamerika und 8 Prozent in Asien. Die gute Nachricht: Die Impfstoffentwickler und -produzenten warten mit dem Ausbau ihrer Kapazitäten nicht, bis die Impfstoffkandidaten erfolgreich getestet wurden, sondern schaffen die Kapazitäten schon jetzt, damit es direkt losgehen kann. Alleine die deutsche Biotech-Firma Curevac könnte direkt über 100 Millionen Dosen ihres Präparats im Jahr herstellen, und die Kapazität wird weiter ausgebaut.
49 Prozent machen Home Office
Sollte es den Forschern nicht gelingen, so schnell wie möglich Impfstoffe oder wirksame Medikamente zur Verfügung zu stellen, wären die Folgen wahrscheinlich gravierend, wie ein Blick auf die Größe der Risikogruppen allein in Deutschland zeigt. Hierzulande sind 13,1 Millionen Menschen älter als 70 Jahre, 8 Millionen Menschen leiden unter Asthma.
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Umso wichtiger ist es, dass das Schaffen von körperlicher Distanz zwischen den Menschen gelingt. Ein Schlüssel dafür, dass das funktioniert und dennoch die Wirtschaft zumindest noch einigermaßen am Laufen bleibt, ist das Home Office. Nach einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom aus dieser Woche macht jeder zweite Berufstätige (49 Prozent) inzwischen Home Office. 18 Prozent durften vorher nicht im Home Office arbeiten, tun das aber jetzt. Allerdings gaben auch rund 40 Prozent an, dass ihre Arbeit grundsätzlich nicht home-office-geeignet sei.
Dies sind größtenteils die Menschen, die die kritische Infrastruktur etwa im Gesundheitswesen, in der Betreuung und Pflege sowie in der Lebensmittelversorgung aufrechterhalten. Der Frauenanteil in dieser Gruppe ist enorm hoch, wie ein Blick auf einige Berufsgruppen zeigt: Im Einzelhandel mit Nahrungsmitteln und in der Sozialversicherung sind 73 Prozent der Angestellten weiblich. In Krankenhäusern sind es 76 Prozent, in Kindergärten und Vorschulen sogar 93 Prozent. Es sind die Frauen, die in der Corona-Krise die größten Lasten tragen.
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