Japan droht zum großen Verlierer des Währungskriegs zu werden, der spätestens seit der drastischen Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone und der verzögerten Zinswende in den USA weltweit tobt. Der Yen hat gegenüber einem handelsgewichteten Korb anderer Währungen in den zurückliegenden zehn Monaten um mehr als 15 Prozent aufgewertet. Allein seit Jahresbeginn steht gegenüber dem US-Dollar ein Zugewinn von über 10 Prozent zu Buche, gegenüber dem Euro sind es gut 5 Prozent. Gestern markierte der Yen zum Euro ein Dreijahreshoch.
Den Japanern kommt diese Entwicklung höchst ungelegen. Die Bank of Japan (BoJ), die Notenbank des Landes, ist gerade dabei, die Geldbasis des Landes zu verdoppeln. Erklärtes Ziel dieser massiven Geldschöpfung ist eine Schwächung des Yen. Dies soll die Exportindustrie stärken, für steigende Löhne sorgen und Inflation importieren, so dass die Teuerungsrate wieder in Richtung 2 Prozent steigt. Notenbankchef Haruhiko Kuroda sieht seine Inflationsziele durch die überraschende Yen-Stärke „massiv gefährdet“
Jetzt kann die BoJ sich offensichtlich nicht mehr länger gegen die Marktkräfte stemmen. Trotzdem hat der leitende Kabinettssekretär Yoshida Suga verlauten lassen, dass Interventionen zur Schwächung des Yen nicht mehr ausgeschlossen seien. Die aktuelle Kursentwicklung bezeichnete er als „einseitig“.
Carry-Trade-Investoren spekulieren nicht mehr gegen den Yen
Dass Sugas Interventionspläne möglicherweise im Widerspruch zu einer Vereinbarung stehen, die die Finanzminister der 20 größten Industrieländer der Welt im Februar geschlossen hatten – sie versprachen sich, auf einseitige Währungsabwertungen zu verzichten – ist nebensächlich. Stärker wiegen die Zweifel an der Durchführbarkeit einer solchen Maßnahme.
Schließlich sind die Marktkräfte, die den Yen nach oben treiben, gewaltig: Das Ausmaß der Wetten auf einen weiteren Yen-Anstieg ist so hoch sie seit 1992 nicht mehr. Dies führt dazu, dass im großen Stil Carry-Trade-Positionen im Yen aufgelöst werden. Jahrelang galt der Yen wegen der niedrigen Zinsen in Japan und der erklärten Absicht der Japaner, ihre Währung zu schwächen, als ideale Carry-Trade-Währung.
Bei Carry-Trade-Geschäften nehmen Spekulanten einen Kredit in einer niedrig verzinsten Währung auf, um davon höher rentierende Zinspapiere zu kaufen. Dabei ist wichtig, dass die Währung, in der der Kredit aufgenommen wird, abwertet. Denn so müssen die Spekulanten weniger zurückzahlen, wenn sie ihre Wette auflösen.
Genau das ist jetzt beim Yen nicht mehr der Fall. Darum verkaufen die Investoren bei weitem nicht mehr so viele Yen wie früher, um das Geld in andere, aufwertende Währungen zu tauschen – im Gegenteil: Möglicherweise ist Japan mittlerweile schon das Investitionsziel von Carry-Tradern geworden, die sich in schwächeren Währungen verschulden und Yen kaufen, um so auf eine weitere Aufwertung zu spekulieren.Beim Währungspaar Euro/Yen sind die Netto-Long-Positionen der Investoren im Yen auf einem Niveau, das nie zuvor gemessen wurde.
Der Yen steigt, wenn die Märkte in den Risk-Off-Modus wechseln
Gleichwohl ist die aktuelle Entwicklung kein Neuland: Es ist nicht das erste Mal, dass der Yen wegen hoher Nervosität an den Kapitalmärkten in Europa und Nordamerika in die Höhe schießt. Nach dem Lehman-Kollaps im Herbst 2008 beispielsweise hatte der Yen binnen weniger Monate gegenüber dem Euro fast 40 Prozent an Wert gewonnen, und dies war nur der Anfang.
In den zurückliegenden Jahren hat sich ein Handelsmuster herausgebildet. Der Yen wird immer dann stark, wenn die Märkte in den Risk-Off-Modus wechseln. Dies ist seit Jahresbeginn der Fall. Das Bankhaus Metzler erwartet, dass der Yen im weiteren Jahresverlauf vor allem gegenüber dem Dollar, aber auch gegen den Euro noch weiter an Wert gewinnen wird.
Für deutsche Exporteure, die häufig mit japanischen Anbietern konkurrieren, ist das positiv. Zwar dürfte die jüngste Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar und einigen anderen Währungen für Gegenwind in ihren Bilanzen sorgen. Der mit einem starken Yen belasteten japanischen Industrie drohen mittelfristig hingegen vor allem in Asien Preisnachteile gegenüber europäischen Anbietern.