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Gedämpfte Freude zum Kroatien-Beitritt

Der EU-Beitritt Kroatiens wird von vielen kritisch beäugt.
Thinkstock / Getty Images

Kroatien tritt am 1. Juli nach jahrelangen Verhandlungen endlich als 28. Mitglied der Europäischen Union bei. Das Land auf dem Balkan ist Nachbar der EU-Mitglieder Slowenien und Ungarn, war aber vor wenigen Jahren noch Kriegspartei im auseinanderfallenden Jugoslawien. Kroatien hat hart für diesen Beitritt gearbeitet. Und was ist der zentrale Satz, den Staatspräsident Ivo Josipovic und sein Ministerpräsident Zoran Milanovic laut dem Magazin Stern kurz vor den Feierlichkeiten den neuen Partnern vor allem in Deutschland zurufen? „Wir kosten den deutschen Steuerzahler nichts." Kroatiens Wirtschaft sei stabil und selbst wenn nicht, müsse der deutsche Steuerzahler nicht einspringen. Umgekehrt wird kein europäischer Politiker müde, Kroatien darauf hinzuweisen, dass das Land seine Reformen in Justiz und Verwaltung noch längst nicht abgeschlossen habe und vor allem zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit noch große Opfer von den Kroaten verlangt würden. Wahre Vorfreude – die Türkei kennt das in ähnlicher Form – klingt anders.

Staatsanleihen von Kroatien auf Ramschniveau

In der Tat ist das kroatische BIP in den vergangenen vier Jahren in Folge gesunken. Für 2013 erwartet die UniCredit einen weiteren Rückgang um 0,8 Prozent – mit negativem Ausblick. Die Bank mahnt, wie viele andere, einen nachlassenden Reformwillen und unzureichende fiskalische Konsolidierung auf Seiten der kroatischen Regierung an. Das habe negative Auswirkungen auf das Investitionsklima, aber auch auf den Konsum, und beschränke damit auch den Nutzen des EU-Beitritts. Während in der Vergangenheit ein EU-Beitritt meist mit einer Verbesserung der Bonität eines Landes einherging, wurde Kroatien vergangenen Dezember von Standard & Poor’s (S&P) auf non-investment grade abgestuft, im Februar folgte die Abstufung auf Ramschniveau bei Moody’s, und demnächst könnte sich auch noch Fitch anschließen.

Auch deutsche Unternehmen sehen Kroatien eher kritisch. In einer Umfrage der Deutsch-Kroatischen Außenhandelskammer bewerteten im Februar dieses Jahres 84 Prozent der Teilnehmer die Wirtschaftslage in Kroatien als schlecht. Im Vorjahr waren es 80 Prozent. Zufrieden zeigen sich die befragten Unternehmen mit Qualifikation und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer. Aber Korruption, Kriminalität, mangelnde Rechtssicherheit, marode Staatsunternehmen und die unberechenbare Wirtschaftspolitik machen vielen privaten Investoren das Leben auch kurz vor EU-Beitritt noch immer schwer. Zwar hat die kroatische Regierung noch rechtzeitig zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen zahlreiche Reformen angestoßen oder angekündigt, aber viele bezweifeln, dass Reformen tatsächlich durchgesetzt werden und vor allem in der Umsetzung die gewünschten Effekte haben.

Bankensektor: Konsolidierung unvermeidlich

Der Bankensektor ist praktisch komplett in westlicher Hand. Laut einem Bankenreport zu Mittel- und Osteuropa der Raiffeisen Bank ist die Loan-to-Deposit-Ratio in Kroatien mit gut 100 Prozent zwar bei weitem nicht die höchste in der Region, aber angesichts des Einkommenslevels bereits an einem Punkt angelangt, von dem aus weiteres Wachstum nicht mehr ratsam wäre. In der Tat haben  westliche Banken ihr Engagement in Kroatien gegenüber dem Höhepunkt 2008 inzwischen um gut 30 Prozent reduziert. Anders als vom Staatspräsidenten suggeriert, ist im kroatischen Bankensektor längst nicht alles in bester Ordnung. Eine umfassende Konsolidierung scheint vielmehr unvermeidlich. Dass dafür aber kein deutsches Steuergeld herhalten muss, ist zumindest solange richtig, solange Kroatien nicht dem Euro beitritt. Das allerdings könnte schneller passieren als bei vielen anderen neuen Mitgliedstaaten. Viele Kroaten halten schon heute ihre Ersparnisse in Euro und nicht in kroatischer Kuna.

Bei allen Problemen könnte der Beitritt Kroatiens zur EU aber gerade zur rechten Zeit kommen. Nach außen zeigt er, dass die EU mehr ist als ein reiner Wirtschaftszweckverbund und auch mehr als die Euro-Zone. Nach innen zeigt er, dass bei allen aktuellen Problemen und Ineffizienzen die EU noch immer ein wichtiger Anker und regionalpolitischer Attraktor für viele Staaten und Regierungen ist. Die Erfahrung mit anderen Erweiterungsrunden zeigt in der Tat, dass die EU einen Mechanismus entwickeln muss, um Mitgliedstaaten auch nach dem Beitritt reformwillig zu halten.

Dies gilt allerdings für Frankreich, Deutschland oder Griechenland genauso wie für Rumänien, Bulgarien oder Kroatien. Diese Aufgabe liegt aber primär bei der Union, nicht bei den Mitgliedstaaten. Der Kroatien-Beitritt bietet gerade in dieser Phase der Unsicherheit über Sinn und Zweck der EU die Gelegenheit, sich einmal mehr die positive Kraft der Union in Erinnerung zu rufen, und daraus den Mut zu schöpfen, nicht nur Reformen in den Mitgliedstaaten, sondern auch im Gesamtkonstrukt anzustoßen.

armin.haeberle[at]finance-magazin.de