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Länderfokus Türkei

Länderfokus Türkei: Die drei großen Ratingagenturen haben die Bonitätsnote als Investment Grade eingestuft.
Thinkstock / Getty Images

Mit der Anhebung der Bonitätsnote auf Investment Grade hat kürzlich Fitch als letzte der drei großen Ratingagenturen das starke und solide Wachstum der Türkei unterstrichen. Die Hochstufung und die Folgen der Bilanzausweitung durch die größten Zentralbanken haben dafür gesorgt, dass mehr Kapital in die Türkei strömt. Als Antwort auf die fließenden Investitionen hat die Regierung strukturelle Maßnahmen ergriffen, um das Importvolumen zu senken und die nationale Sparquote zu erhöhen. Insgesamt macht die türkische Wirtschaft nach der Überhitzung im Jahr 2011 einen positiven Eindruck. Ein gesundes Bankensystem in Kombination mit guten Wachstumsaussichten stellt die kurzfristigen makrofinanziellen Risiken in den Hintergrund und ermöglicht eine weiche Landung. Erdem Basci, Präsident der türkischen Zentralbank, hat außerdem die Kreditschraube angezogen um das Leistungsbilanzdefizit (in Prozent des BIP) von 10 Prozent im Jahr 2011 auf 7 Prozent im Jahr 2012 zu senken.

„Heißes Geld“ macht Türkei anfällig

Das ist zwar ein bemerkenswerter Umschwung, aber die Höhe des Defizits macht das Land nach wie vor anfällig für die Stimmungsschwankungen der weltweiten Anleger. Experten zufolge sind die derzeitigen 7 Prozent (das entspricht rund 45 Milliarden Euro) ohnehin das Beste, was zu erreichen war. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist die Türkei extrem auf den Import von Energie (Öl & Gas) angewiesen, zweitens wurde das Wachstum des Landes mit einem Modell erreicht, das auf der Binnennachfrage basiert. Das erweist sich als nützlich, wenn es im Rest der Welt an Wachstum fehlt. Ansonsten lässt es jedoch darauf schließen, dass die Importe eher durch den Konsum als durch Investitionen gesteuert wurden. Zudem muss die Türkei in den kommenden beiden Jahren Schulden in Höhe von 110 Milliarden Euro zurückzahlen. Demzufolge basiert die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits hauptsächlich auf kurzfristigen Schulden und Portfoliozuflüssen, dem sogenannten „heißen Geld“.

Die gute Neuigkeit ist, dass das Haushaltsdefizit der Türkei mit 2,3 Prozent relativ gering ist. Die türkische Regierung peilt für 2013 ein Haushaltsdefizit von 33,9 Milliarden türkischen Lira, etwa 2,2 Prozent des prognostizierten BIP an. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt unter anderem davon ab, ob sich die Wirtschaftstätigkeit erholt und welche Auswirkungen dies auf die Steuereinnahmen haben wird. Auch die Selbstverpflichtung der Regierung zur Ausgabenkürzung während des Wahlkampfs 2014/2015 und die Höhe der Einnahmen aus Privatisierungen werden über die Höhe des Haushaltsdefizits entscheiden. 

Initialzündung für die Wirtschaft

Die gute öffentliche Finanzlage und das hohe Wachstumspotential kombiniert mit einem gesunden Bankensystem und den niedrigen Schulden der privaten Haushalte sprechen allesamt für die kürzlich  erhaltene erstklassige Bonität der Türkei.

Die Dynamik ist unübersehbar. Das zeigt das BIP pro Kopf bei konstanten Preisen im Vergleich zur mehrjährigen durchschnittlichen Wachstumsrate dieser Kennzahl (siehe Grafik). Das türkische Pro-Kopf-BIP liegt deutlich unter dem der wichtigsten europäischen Handelspartner, was die geringe Erwerbsquote insbesondere unter türkischen Frauen widerspiegelt. Auf der anderen Seite ist eine Wachstumsgeschwindigkeit des Pro-Kopf-BIP von 3 Prozent relativ hoch. Die Türkei bewegt sich in diesem Punkt fast auf einer Ebene mit den Wachstumsraten von Südkorea, Singapur und Brasilien. Wenn man die junge, gut ausgebildete Bevölkerung berücksichtigt, wird das Potential der Türkei deutlich.

Investoren sollten an Hedging denken

Die Türkische Behörde „Turkish Investment Support and Promotion Agency“ wirbt aktiv um ausländische Direktinvestitionen. Das niedrige Länderrisiko der Türkei sorgt dabei für eine positive Grundstimmung, was aus dem verhältnismäßig günstigen fünfjährigen Credit-Default-Swap-Niveau von 134 Basispunkten abzuleiten ist. Während sich das Länderrisiko in den vergangenen vier Jahren deutlich verbessert hat, verlor dagegen die türkische Währung seit 2011 an Wert. Dies liegt vor allem an dem Handelsdefizit, das mit 10 Milliarden US-Dollar um 2 Milliarden Dollar höher lag als veranschlagt. Derzeit liegt der Wechselkurs bei 2,45 Türkischen Lira für einen Euro. 2009 kostete der Euro noch 1,90 Lira.

Entsprechend wichtig ist es, bei Investitionen ein wachsames Auge auf die Volatilität der Lira zu haben. Tatsächlich nehmen die Währungsschwankungen seit Anfang 2012 ab und sind mit 8 Prozent sogar geringer als die Euro/US-Dollar-Volatilität. Obwohl dies eindeutig positiv ist, bleibt offen, wie lange diese Outperformance noch anhält, insbesondere im Hinblick auf die aktuellen Bürgerproteste. Investoren sollten bei Geschäftsinvestitionen auch das Thema Hedging bedenken.

Info

Die Autoren

Dirk-Emma Baestaens ist Head der Client Solutions Development Group der BNP Paribas, Aymar de Liedekerke Beaufort ist Head of Coverage Corporate Banking Germany.