Der russische Rubel ist auf seinen bislang niedrigsten Stand in diesem Jahr gestürzt: Am Montag knackte der Euro erstmals seit vergangenem Dezember die 80-Rubel-Marke, inzwischen notiert er bei 79,83. Auch gegenüber dem US-Dollar wertete die russische Währung massiv ab: Aktuell bekommt man für einen Dollar 69,7 Rubel, vor drei Wochen waren es gerade mal 60 Rubel. Damit verlor der Rubel allein seit Anfang August rund 17 Prozent an Wert.
Dieser Absturz weckt Erinnerungen an den vergangenen Dezember. Damals büßte der Rubel innerhalb von zwei Wochen 20 Prozent gegenüber dem Dollar und 40 Prozent gegenüber dem Euro ein – mit zum Teil noch höheren Tagesvolatilitäten. Im Frühjahr schien sich die russische Währung dann wieder gefangen zu haben und wertete sukzessive auf. Zwischen Anfang April und Anfang Juli pendelte sich der Dollar-Rubel-Kurs zwischen 49 und 55 ein – rund 25 Prozent höher als aktuell.
Ölpreis lässt Rubel abstürzen
Der erneute Absturz überrascht Devisenexperten nicht: „Der Rubel-Kurs ist traditionell volatil, weil er stark mit dem Ölpreis korreliert“, sagt Lubomir Mitov, Chefvolkswirt für Zentral- und Osteuropa bei Unicredit in Italien. Der russische Staatshaushalt ist extrem von den in US-Dollar denominierten Öleinnahmen abhängig. Der Ölpreis war zuletzt aber ebenfalls gefallen.
Mitovs Berechnungen zufolge benötigt die russische Regierung derzeit einen durchschnittlichen Dollar-Rubel-Kurs von 60 bis 65 Rubel, um ihr Defizitziel von maximal 3,7 Prozent vom BIP in diesem Jahr zu erreichen. Die Abwertung jetzt kommt ihr also zumindest in Teilen entgegen.
Nachteilig ist sie wiederum im Hinblick auf die Rückzahlung von Schulden in Fremdwährung. Allerdings ist der russische Staat vergleichsweise gering im Ausland verschuldet und verfügt nach wie vor über hohe, wenn auch sinkende Fremdwährungsreserven. Für die großen russischen Öl- und Rohstoffkonzerne sind die Fremdwährungsschulden ein kritischeres Thema.
Neben dem schwachen Ölpreis und der schweren Rezession in Russland drücken auch die Turbulenzen in China und die sich fortsetzende Kapitalflucht aus Russland auf den Rubel-Kurs. Die russische Zentralbank hatte ihren Leitzins Ende Juli auf 11 Prozent gesenkt – von 17 Prozent Ende 2014 – um die Rezession nicht noch weiter zu verschärfen. Das belastet nun den Wechselkurs. Trotz der ausgeprägten Wirtschaftsschwäche denkt die russische Zentralbank daher inzwischen schon wieder darauf nach, die Zinsen anzuheben, um dem Rubel-Verfall Einhalt zu gebieten.
Rubel-Hedging: Einige CFOs denken um
Wie sehr der Rubel-Absturz deutsche Unternehmen trifft, wird sich zeigen, wenn die ersten Konzerne Zahlen für das dritte Quartal vorlegen. Im vergangenen Jahr hatten einige deutsche Unternehmen wie Adidas, Henkel oder Metro aufgrund der Rubel-Abwertung deutliche Einbußen hinnehmen müssen.
Es ist davon auszugehen, dass es auch dieses Mal zu Bremsspuren kommen wird, denn aus Kostengründen hedgen die wenigsten Unternehmen den Rubel. Der Grund: Da die Zinsdifferenz zwischen Russland und dem Euro-Raum so erheblich ist, sind die Aufschläge, die auf Forwards erhoben werden, sehr hoch. Vielen lassen das Währungsrisiko daher lieber offen.
Manche CFOs haben die Turbulenzen im vergangenen Dezember aber zum Umdenken gebracht: Ein Dax-Konzern etwa hat die vergleichsweise ruhige Phase im Frühjahr genutzt und Sicherungen für Rubel getätigt. „Allerdings haben wir mit maximal neun Monaten nur einen relativ kurzen Horizont abgesichert, da die Forward-Aufschläge weiterhin sehr signifikant sind“, berichtete der Treasury-Chef gegenüber FINANCE. Zwar seien Absicherungen zwar kaum erschwinglicher geworden: „Aber man erschreckt nicht mehr so, wenn Levels um die 75 aufgerufen werden, denn diese Kurse hat man ja bereits Ende letzten Jahres in der Kasse gesehen.“
Das war vor gut zwei Wochen. Damals stand der Kurs bei 69, heute liegt er bereits bei 78. Die Absicherung dürfte sich für das Unternehmen bereits ausgezahlt haben.
Unicredit: Dollar-Rubel-Kurs von 90 für 2018 realistisch
Hohe Absicherungskosten in Kauf nehmen oder das Währungsrisiko offen lassen – aktuell haben CFOs nur die Wahl zwischen zwei Übeln. Allerdings wird der russische Rubel in den kommenden Jahren weiter an Wert verlieren, galubt zumindest Volkswirt Mitov: „Der Ölpreis wird aufgrund der technologischen Fortschritte wie Fracking nicht wieder an alte Niveaus anknüpfen. Gleichzeitig wird Russland nicht bereit sein, die Staatsausgaben immens zu kürzen.“ Dies würde nicht nur die ohnehin lahmende Wirtschaft belasten, sondern könnte auch die politische Stabilität gefährden, was der Kreml kaum zulassen wird.
Auf Pump könne Russland dagegen kaum finanzieren, so Mitov, die russischen Banken seien zu schwach: „Zudem ist der Zugang zu ausländischen Märkten aufgrund der bestehenden Sanktionen stark eingeschränkt und die Ölreserven werden bis 2017 erschöpft sein.“
Mitov rechnet daher damit, dass der Rubel in den kommenden vier Jahren jeweils 4 bis 5 Prozent pro Jahr gegenüber dem Dollar verlieren wird: „Falls der Staat gar keine Einschnitte vornimmt, sind sogar 8 bis 10 Prozent pro Jahr denkbar“, so der Volkswirt. Abhängig vom Ölpreis hält er bis 2018 einen Dollar-Rubel-Kurs von 85 bis 90 für realistisch.