Lange hat die Ruhe nicht angehalten, seit dieser Woche geht der Kurssturz der türkischen Lira weiter. Inzwischen hat die türkische Währung im Laufe dieses Jahres mehr als 50 Prozent an Wert gegenüber dem Euro verloren. Die Währungskrise war eskaliert, nachdem die USA am 10. August Sanktionen ankündigten – die Lira brach innerhalb weniger Stunden um 20 Prozent ein.
Ob die Türkei-Krise auf andere Schwellenländer überschwappen wird, ist unter Experten weiterhin umstritten. Fakt ist: In den vergangenen Wochen rauschten auch die indische Rupie, der russische Rubel, der südafrikanische Rand, der brasilianische Real und der chinesische Yuan in die Tiefe. Die Unsicherheit hat enorm zugenommen und damit auch die Volatilität an den Währungsmärkten.
„Viele deutsche Unternehmen sind davon komplett überrascht worden und in Schwellenländerwährungen untersichert“, meint Ole Matthiessen, Leiter FX-Strukturierung bei der Deutschen Bank im Gespräch mit der FINANCE-Schwesterpublikation DerTreasurer. Ob der Experte mit seiner Beobachtung Recht behält, dürfte sich zeigen, wenn die Unternehmen ihre Zahlen für das dritte Quartal veröffentlichen. Dort würden negative FX-Effekte erkennbar.
Die türkische Lira verliert weiter an Wert
FX-Hedging in Schwellenländern ist teuer
Mit der Absicherung von Wechselkursschwankungen in Schwellenländern tun sich CFOs und Treasurer seit jeher schwer, denn das Hedging von Emerging-Markets-Währungen mit gewöhnlichen Instrumenten ist teuer. Das liegt vor allem an den hohen Zinsunterschieden zwischen Schwellen- und Industrieländern. Während etwa der türkische Leitzins bei 17,75 Prozent liegt und die russische Zentralbank immerhin 7,25 Prozent aufruft, betreibt die EZB bekanntlich eine Null-Zins-Politik.
Klassische Termingeschäfte – das mit Abstand beliebteste Sicherungsinstrument deutscher Unternehmen – werden dadurch zum Teil unbezahlbar. Und das hat Folgen: Aufgrund der hohen Hedging-Kosten hatten sich beispielsweise in der Russland-Krise Ende 2014 einige Unternehmen bewusst gegen eine Absicherung des Rubels entschieden – und dies nach dem Absturz der russischen Währung bereut.
Das ist vor allem insofern problematisch, als dass Geschäfte in Ländern wie Indien, Russland und Brasilien für deutsche Konzerne immer wichtiger werden. Schwellenländer stehen für einen immer höheren Anteil der Umsätze und einen oft noch größeren Teil der Gewinne. Entsprechend empfindlich treffen Emerging-Markets-Krisen die Unternehmen.
„Viele deutsche Unternehmen sind von der Krise komplett überrascht worden und in Schwellenländerwährungen untersichert.“
Währungsmanagement auf den Prüfstand stellen
Bankexperten raten den Finanzverantwortlichen daher, ihr Währungsmanagement im Hinblick auf Schwellenländer grundsätzlich zu überdenken und über neue Instrumente nachzudenken. Deutsch-Banker Matthiessen empfiehlt etwa sogenannte Bandbreitenstrategien: „Hier werden gewöhnliche Optionen über einen vorher definierten Zeitraum kurzlaufend, rollierend und prämienneutral abgeschlossen.“ Das Unternehmen sei vollständig gegen starke Kursbewegungen abgesichert, vermeide allerdings bei konstanten Kursniveaus die hohen Aufschläge, die es bei Termingeschäften gäbe.
Auch andere Banken nutzen die Türkei-Krise als Aufhänger, ihren Kunden dynamische Sicherungsstrategien zu empfehlen. Dabei verfolgen sie selbstverständlich auch Eigeninteressen, um die Nachfrage nach Absicherungsprodukten anzukurbeln. Angesichts der geringen Volatilität hat bei vielen Banken das Geschäftsfeld Fixed-Income, Commodities & Currencies (FICC) zuletzt gelitten. Dennoch kann es nicht schaden, seine eigene Hedging-Policy kritisch zu hinterfragen. Einige Treasury-Abteilungen haben damit begonnen.