Die Situation in der Ukraine wird immer dramatischer. In der zunehmend unübersichtlich werdenden Gemengelage könnten Wirtschaftssanktionen gegen Russland auch Unternehmen in Deutschland treffen, zeigt ein aktuelles Diskussionspapier des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW).
CFOs sollten die Situation daher genau beobachten. Denn Wirtschaftssanktionen würden unmittelbare Auswirkungen auf Im- und Exporte aus und nach Russland haben, schreibt das IfW. „Mit großer Besorgnis werden diese Sanktionsdrohungen insbesondere in Deutschland verfolgt“, heißt es in dem Papier. Deutschland ist laut IfW sowohl was die Ein- als auch die Ausfuhren betrifft, einer der wichtigsten Handelspartner Russlands. In den vergangenen zehn Jahren habe der Russlandhandel weiter an Gewicht gewonnen. Mittlerweile liegt demnach der Handel mit Russland auf deutscher Importseite auf Rang sieben der zehn Top-Partner Deutschlands.
Ukraine-Krise: Wertschöpfungsketten kaum betroffen
Doch mit Blick auf die Bedeutung Russlands am deutschen Gesamthandel geben die Studienautoren zumindest teilweise Entwarnung. Denn trotz der gestiegenen Bedeutung entfällt auf die wichtigsten deutschen Exportmärkte Frankreich, USA und Großbritannien ein jeweils viel größerer Exportanteil als auf Russland. So gehen mehr als 9 Prozent der deutschen Ausfuhren nach Frankreich, 8 Prozent in die USA und fast 7 Prozent nach Großbritannien. Der Russlandexport hat jedoch nur einen Anteil von3,3 Prozent an den Gesamtausfuhren. Das bedeutet, dass internationale Wertschöpfungsketten nur wenig von Russland abhängen.
Allerdings spiegelt der Gesamthandel nicht alle Wirtschaftszweige wider. Je nach Branche „können die Abhängigkeiten größer sein“, heißt es. Besonders getroffen von Sanktionen würden der Maschinen- und Fahrzeugbau. So sind laut Weltwirtschaftsinstitut Straßenfahrzeuge mit einem Anteil von fast 20 Prozent am deutschen Russlandexport im vergangenen Jahr das Schwergewicht unter den Ausfuhren. Zu den Top-5 unter den Exporten nach Russland zählen außerdem Maschinen und Apparate, Arbeitsmaschinen, elektrische Maschinen und medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse. Insgesamt machen sie mehr als die Hälfte des Gesamtexports nach Russland aus.
Ein Ausfall des Russlandgeschäfts in diesen Branchen wäre im „Einzelfall sicherlich schmerzhaft“, schreiben die Autoren. Eine „substantielle Anhängigkeit“ bescheinigen sie den deutschen Unternehmen jedoch nicht. Dennoch warnen sie vor einer fehlenden regionalen Diversifikation. Mangelnde Flexibilität könne in dem Fall „existenzbedrohend“ sein.
Achillesferse Gasimporte
Auf der Importseite sieht das Bild allerdings ganz anders aus. Die russischen Gaslieferungen stellen für das IfW die „Achillesferse“ der deutschen Unternehmen dar. Fast 40 Prozent des Gasimports stammen aus Russland. Kurzfristig sei diese Menge nicht zu ersetzen und ein längerer Ausfall teuer.
Doch diese Abhängigkeit besteht wechselseitig. Russland werde kurzfristig keine anderen Abnehmer für sein Gas finden, wenn es zu Sanktionen kommt. Schreiben die Autoren. Denn das russische Liefergebiet ist durch das vorhandene Pipelinenetz definiert: 50 Prozent des russischen Gasexports gingen 2012 in die EU-27, darunter fast 17 Prozent nach Deutschland. Wichtigster Abnehmer war die Ukraine mit knapp 18 Prozent, gefolgt von der Türkei mit fast dem gleichen Anteil wie Deutschland. Das zeigt, trotzdem einige Unternehmen auch in Deutschland von Sanktionen betroffen wären, der größte Verlierer einer Sanktionsspirale wäre Russland.
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