Mitte März dürfte es soweit sein. Dann will das EU-Parlament final über die Aktionärsrechte-Richtlinie abstimmen. Innerhalb des ersten Halbjahrs 2017 soll sie dann in Kraft treten. Ab dann läuft die Uhr für die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. 24 Monate haben sie Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu gießen.
Gesellschaftsrechtsexperte Nikolaos Paschos von der Kanzlei Linklaters geht davon aus, dass die Zeit für einen Gesetzentwurf noch vor der Bundestagswahl am 24. September zu knapp ist. Klar ist: Das Thema ist Wahlkampfmaterial. Denn bei der Aktionärsrechte-Richtlinie geht es auch um den Einfluss der Anteilseigner auf die Vorstandsvergütung. Schon im vergangenen Wahljahr 2013 stand ein Entwurf für die sogenannte „Say on Pay“-Regelung auf der Tagesordnung, scheiterte jedoch. Auch in den Wahljahren davor kam es immer wieder auf. In diesem Jahr könnte der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sich das Thema auf die Fahnen schreiben.
Mit den Vorbereitungen für die neuen Regularien sollten Unternehmen deshalb nach Ansicht von Nikolaos Paschos noch warten, denn einige entscheidende Punkte der Richtlinie müssen vom deutschen Gesetzgeber noch genauer definiert werden. Die EU-Richtlinie räumt den Mitgliedsstaaten in ihrer letzten Fassung mehr Spielraum ein als ursprünglich geplant. Kritiker aus der Wirtschaft konnten sich durchsetzen.
Einfluss der HV auf die Vorstandsvergütung
Die Hauptversammlung soll über wesentliche Veränderungen im Vorstandsvergütungssystem des Unternehmens abstimmen. „Was genau unter den Begriff ‚wesentlich‘ fällt, ist nicht klar definiert“, erläutert Paschos. „Das könnte auch nach Inkrafttreten des Gesetzes noch besonderen Beratungsbedarf erzeugen“. Auch wenn es keine Änderungen am Vergütungssystem gibt, muss alle vier Jahre darüber abgestimmt werden. Außerdem sieht die Richtlinie vor, dass Unternehmen auch einen jährlichen Bericht über die Vorstandsvergütung verfassen, der von der Hauptversammlung abgesegnet wird.
Für Diskussionen hatte im Vorfeld gesorgt, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung bindend sein sollten. „An dem Punkt hat die EU die Richtlinie deutlich entschärft“, kommentiert Paschos. Jetzt obliegt es den Gesetzgebern der einzelnen Mitgliedsstaaten, zu bestimmen, ob die Entscheidung der Hauptversammlung bindend ist oder nur beratende Wirkung hat. Bislang ist in Deutschland das Votum der HV über das Vergütungssystem zum einen freiwillig und zum anderen rechtlich nicht bindend.
Rechtsanwalt Paschos hofft, dass die Regierung, die letztlich den Gesetzentwurf ausarbeiten wird, von der Lockerung Gebrauch machen wird und sich für einen beratenden Charakter der Beschlüsse entscheidet. „Andernfalls wird zu stark in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats eingegriffen“, argumentiert er.
Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen
Die EU hat die Richtlinie auch noch in einem anderen Punkt gelockert. Ursprünglich war geplant, dass die Hauptversammlung wesentlichen Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen oder Personen zustimmen muss. Was genau zu diesen Transaktionen zählt, ist vom Gesetzgeber festzulegen. Im neuen Entwurf wird nun die Alternative eingeräumt, dass der Aufsichtsrat solche Transaktionen erlaubt. „Die ursprüngliche Regelung ohne diesen Alternativweg würde in Deutschland regelmäßig Transaktionen verhindern“, sagt Nikolaos Paschos. Der Grund: „In unserem Rechtssystem sind HV-Beschlüsse anfechtbar, was bestimmte Deals von vorneherein zunichte machen würde.“
Weiterhin bemängelt der Rechtsanwalt, dass die Unternehmen mit der Bekanntgabe solcher Transaktionen gleichzeitig auch einen Bericht über die Angemessenheit des Geschäfts veröffentlichen müssen. Der Bericht ist von einer unabhängigen Partei, also einer Bank oder dem Wirtschaftsprüfer, dem Aufsichtsrat oder einem seiner Ausschüsse zu erstellen. Gerade wenn ein Unternehmen verpflichtet ist, eine Transaktion als Ad-Hoc-Mitteilung zu veröffentlichen, könnte diese Regelung zu zeitlichen Schwierigkeiten führen, meint der Experte.
Entscheidung nach der Bundestagswahl
Einen Vorteil wird die neue Richtlinie in jedem Fall für Unternehmen bringen. Diese können zukünftig genauer erfahren, wer ihre Aktionäre eigentlich sind. Depotbanken müssen auch bei Inhaberaktien die Namen der dahinterstehenden Aktionäre zugänglich machen. „In Deutschland könnte das die bisherigen Unterschiede zwischen Namens- und Inhaberaktien weitgehend beseitigen“, meint Rechtsanwalt Paschos.
Wie genau das Gesetz in Deutschland ausgestaltet wird, wird wohl erst nach der Wahl klar werden. Wenn sich die Bundesregierung für eine lockere Auslegung der Richtlinie entscheidet, dürften die Folgen für deutsche Unternehmen überschaubar sein, viele Regeln ähneln den Empfehlungen des deutschen Corporate Governance Kodex, der gerade ebenfalls überarbeitet wird. Lediglich ein höherer administrativer Aufwand wird wohl nicht zu vermeiden sein.
antonia.koegler[at]finance-magazin.de
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Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.