Bei der laufenden Übernahme des Windkraftbetreibers PNE durch den Infrastrukturfonds der US-Investmentbank Morgan Stanley bahnt sich möglicherweise ein zäher Übernahmekampf an, der im schlimmsten Fall sogar vor Gericht landen könnte. Auslöser dafür ist ein am Montag veröffentlichter Brief von Enkraft Capital an den Vorstand und Aufsichtsrat von PNE, der FINANCE vorliegt.
Enkraft: PNE-Angebot ist „ökonomisch unattraktiv“
In dem Brief erhebt Enkraft, das sich mit knapp 3 Prozent als einer der zehn größten Aktionäre von PNE wähnt, schwere Vorwürfe. Dem PNE-Management um CEO Markus Lesser und CFO Jörg Klowat wirft Enkraft vor, dass es ein „ökonomisch unattraktives“ Übernahmeangebot „zu Lasten seiner jetzigen Aktionäre strukturieren und umsetzen will“. PNE teilte auf Nachfrage mit, dass der Brief zur Kenntnis genommen wurde, jedoch nicht kommentiert werde. Morgan Stanley wollte die Situation auf Nachfrage ebenfalls nicht kommentieren.
Die US-Amerikaner bieten 4 Euro pro Aktie, was nach eigener Aussage einer Prämie von rund 31 Prozent auf den unbeeinflussten Aktienkurs vom 26. August entspricht, als PNE konkrete Gespräche mit Morgan Stanley publik machte. Die US-Amerikaner bewerten das Eigenkapital von PNE damit mit rund 300 Millionen Euro. Die Mindestannahmeschwelle für das Übernahmeangebot liegt bei 50 Prozent plus einer Aktie.
Das PNE-Management gab Anfang Oktober bekannt, mit Morgan Stanley eine Investorenvereinbarung abgeschlossen zu haben. Es sei „im wohlverstandenen Unternehmensinteresse sowie im Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre und der weiteren Stakeholder der PNE AG“, das Angebot zu unterstützen.
Wie viel ist PNE wert?
Aktionär Enkraft zweifelt dies aus mehreren Gründen an: Zunächst entspreche das Angebot von 4 Euro je Aktie in bar seiner Meinung nach nicht dem intrinsischen Wert von PNE. Enkraft spricht von einer „signifikanten Unterbewertung“ und sieht den wahren Wert der PNE-Aktie zwischen 5,50 und 5,70 Euro. Bei einer „moderaten“ Übernahmeprämie von 25 Prozent müsste ein faires Übernahmeangebot aus Sicht von Enkraft demnach zwischen 6,90 und 7,10 Euro pro Aktie liegen.
Enkraft zufolge bewertet Morgan Stanley PNE mit dem 8,9-Fachen des durchschnittlichen für die Jahre 2019 bis 2021 prognostizierten Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit). Das Ebit-Multiple der PNE-Wettbewerber läge dagegen bei 12,1x. Blickt man in die aktuellen FINANCE-Multiples ist das ein durchaus hoher Wert. Demzufolge werden Unternehmen aus dem Bereich Umwelttechnologie und erneuerbare Energien in der Größenordnung von PNE derzeit mit 7,5x bis 9,1x Ebit bewertet und damit ähnlich hoch, wie Morgan Stanley PNE taxiert.
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Dass ein Investor im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeprozesses eine höhere Bewertung fordert, ist nicht unüblich. Doch auch die übrigen PNE-Großaktionäre scheinen die Bewertungsvorstellungen von Enkraft nicht zu teilen. Bislang hat sich öffentlich noch kein Aktionär mit Enkraft verbündet, was die Schlagkraft deutlich erhöht hätte.
Und das, obwohl mit AOC mit rund 5 Prozent ein bekannter Aktivist bei PNE an Bord ist, der beispielsweise bei der Übernahme von Stada durch die beiden Private-Equity-Investoren Bain und Cinven den Preis erfolgreich nach oben getrieben hat. AOC ist im Aufsichtsrat von PNE vertreten und dürfte folglich den Kurs des Managements vermutlich unterstützen.
Enkraft kritisiert Delisting-Kommitment
Die vermeintlich zu niedrige Bewertung ist aber nicht das einzige, das Enkraft anprangert. Der Aktionär erhebt noch weitaus schwerere Vorwürfe. Er stört sich an der Art und Weise, wie der Vorstand den Deal mit Morgan Stanley abgewickelt haben soll. Im Kern wirft Enkraft PNE vor, Morgan Stanley bevorzugt behandelt zu haben.
Morgan Stanley sei im Rahmen der Due Diligence „Zugang zu vertraulichen und ausgesprochen wertrelevanten Informationen“ gewährt worden, der anderen interessierten Bietern „entweder verweigert oder nur eingeschränkt und zeitlich versetzt gewährt“ worden sei, sodass diese kein konkurrierendes Angebot hätten unterbreiten können, schreibt Enkraft unter Bezug auf eigene Erkenntnisse und Presseberichte. Fakt ist: Hätte ein anderer Interessent zu einem Zeitpunkt ein ähnlich konkretes Interesse wie Morgan Stanley an PNE gezeigt, hätte das Management den Kapitalmarkt darüber informieren müssen.
„Viel schlimmer“ sei aus Sicht von Enkraft jedoch, dass der Vorstand Morgan Stanley schon jetzt zugesagt hat, PNE von der Börse zu nehmen, sofern lediglich 50 Prozent der Aktionäre das Übernahmeangebot annähmen. Dies sie eine „vollkommen marktunübliche Selbstverpflichtung“, die dazu führe, dass die Aktien der Aktionäre, die das Angebot nicht annehmen, quasi entwertet würden, da die Aktien ohne Listing nicht mehr liquide und damit nur schwer handelbar seien. Aus Sicht von Enkraft handle der Vorstand hier „eindeutig pflichtwidrig und entgegen dem Interesse der Aktionäre“, weshalb Enkraft gegen das Delisting zur Not auch gerichtlich vorgehen will.
Dass ein Finanzinvestor ein börsennotiertes Unternehmen nach der Übernahme von der Börse nimmt, ist für sich genommen nicht ungewöhnlich – so geschehen zuletzt bei Morgan Stanleys Investment in den Waggonvermieter VGT oder auch bei Stada. Auch Osram hätte von der Börse verschwinden sollen, wären die bietenden Privat-Equity-Häuser zum Zug gekommen.
Wie reagiert Morgan Stanley?
Enkraft ist ein Aktionär, mit dem es durchaus ungemütlich werden kann. Die Fondsgesellschaft, vertreten durch Benedikt Kormaier, beteiligte sich bereits in der Vergangenheit mit rund 10 Prozent an Abo Invest, an der PNE-Wettbewerber Abo Wind beteiligt ist. Einer Pressemitteilung von Abo Invest zufolge setzte Kormeier bei der Hauptversammlung im Sommer dieses Jahres durch, dass zwei der fünf Aufsichtsräte ausgetauscht werden und erstmalig eine Dividende ausgeschüttet wird.
Ob Enkraft die laufende Übernahme durch das Störfeuer ins Wanken bringt, darf dennoch bezweifelt werden. Zum einen hat Morgan Stanley das ursprüngliche indikative Angebot von 3,50 Euro bereits auf 4 Euro erhöht. Zum anderen haben schon rund 15 Prozent der institutionellen Investoren ihre Aktien angedient, darunter der größte Aktionär Universal Investment, der rund 12 Prozent der PNE-Aktien hält.
Zudem kauft Morgan Stanley parallel am Markt weitere Aktien auf, wie aus Stimmrechtsmitteilungen hervorgeht. Derzeit notiert die Aktie bei exakt 4 Euro. So lange der Kurs nicht darüber steigt, ist davon auszugehen, dass Morgan Stanley versuchen wird, bis zum 28. November weitere Aktien aufzukaufen.
Bis dahin ist das Angebot von Morgan Stanley gültig. Dessen Angebotsunterlagen wurden am 31. Oktober veröffentlicht. Unabhängig von dem gestern veröffentlichten Brief muss PNE bis zum 14. November eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot abgeben.