Es könnte ein gutes Jahr für die börsennotierten Unternehmen werden – oder zumindest ein gut geplantes. Die im Prime Standard der Deutschen Börse notierten Unternehmen haben drei Viertel ihrer zu Jahresbeginn versprochenen Leistungsindikatoren für das Geschäftsjahr 2015 im Rahmen der Berichte zum 3. Quartal bestätigt oder sogar erhöht. Diese Zahlen hat die Kommunikationsagentur Cometis erhoben, die Auswertung liegt FINANCE vor. Cometis hat dazu die Prognosen und die aktuellen Berichte von 249 börsennotierten Unternehmen analysiert.
Rund 50 Prozent der Erwartungen konnten in den aktuellen Q3-Berichten bestätigt werden. Bei 24 Prozent der genannten Indikatoren konnten die CFOs im Vergleich zu ihren Aussagen im Prognosebericht des zurückliegenden Geschäftsberichts sogar die Erwartungen erhöhen. Lediglich in 15 Prozent der Fälle mussten die Prognosen nach unten korrigiert werden.
2014 mussten noch fast 30 Prozent der Unternehmen ihre Gewinnprognosen zurücknehmen, hatte das Beratungshaus Ernst & Young errechnet. Damit steuern die kapitalmarktorientierten Unternehmen, die in Deutschland notiert sind, scheinbar auf ein besseres Resultat zu als im vergangenen Jahr – aber nur auf den ersten Blick.
CFOs patzen vor allem bei Gewinnprognosen
Auf den zweiten Blick gibt die Prognosequalität der Konzerne aber auch in diesem Jahr Anlass zur Sorge. So wurden laut Cometis zwar drei Viertel aller Umsatzprognosen von den Finanzabteilungen bestätigt oder erhöht, allerdings nur 61 Prozent der Ebit-Prognosen. Von diesen wurden außerdem 29 Prozent im bisherigen Jahresverlauf einkassiert, während die CFOs nur bei 16 Prozent der Umsatzprognosen zurückrudern mussten. Bei den verbleibenden 9 Prozent (Umsatz) beziehungsweise 10 Prozent (Ebit) kam die Kennzahl nur in einer der beiden Prognosen vor und lässt daher keinen Vergleich zu.
Nach Einschätzung von Cometis-Vorstand Henryk Deter liegt die Schwierigkeit bei den Ebit-Prognosen darin, dass Gewinnschätzungen einer höheren Anzahl von schwer kalkulierbaren Einflussfaktoren wie etwa Währungsschwankungen und außergewöhnlichen Abschreibungen unterliegen.
Gleichwohl ist beunruhigend, dass das Geschäftsjahr noch nicht einmal beendet ist. Im vergangenen Jahr entfiel laut EY fast ein Drittel der Gewinnwarnungen auf das vierte Quartal. Würde sich das dieses Jahr wiederholen, hätten die in Deutschland im Prime Standard notierten Konzerne mehr Gewinnprognosen kassiert als eingehalten oder erhöht.
CFO lassen jede zehnte Prognose unter den Tisch fallen
Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig verwunderlich, dass zwar 69 Prozent der untersuchten Unternehmen eine Umsatzprognose verwenden, aber weniger als 30 Prozent der CFOs Gewinnkennzahlen wie den Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) oder den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in ihren Prognosen nutzen.
Manch ein CFO lässt gar im Jahresverlauf vorher genannte Leistungsindikatoren nonchalant unter den Tisch fallen: In 11 Prozent der Fälle haben Unternehmen die Kennzahlen, die zu Jahresbeginn im Prognosebericht genannt wurden, im Q3-Bericht nicht aufgegriffen – in manchen Fällen auch andersherum. Dies entwertet die Aussagekraft der Zahlen für die Investoren deutlich.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.