Was muss ein Unternehmen seinen Aktionären unverzüglich mitteilen? Viele Unternehmen haben dafür keine festgeschriebenen Richtlinien, behaupten die Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität (DGAP) und die Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller nach Durchführung einer Studie unter 80 börsennotierten deutschen Unternehmen. Demnach haben 56 Prozent der Befragten keine schriftlichen Kriterien festgelegt, um zu entscheiden, ob und wann eine Nachricht zur Ad-hoc-Mitteilung wird.
Auf den ersten Blick verwundert das, treibt die Frage der Ad-hoc-Pflicht doch derzeit die Investor Relations-Abteilungen und CFOs um. Seit dem EuGH-Urteil zur Ad-hoc-Pflicht rund um den Abgang des ehemaligen Daimler-Vorstandschefs Jürgen Schrempp, das im vergangenen Juni erging, ist die Verunsicherung groß. Das Gericht hatte entschieden, dass Unternehmen ihre Anleger schon über die Vorbereitungen eines Personalwechsels per Ad-hoc-Mitteilung informieren müssen – und nicht erst, wenn die Entscheidung bereits gefallen ist. Diese Woche teilte der Bundesgerichtshof mit, dass das Oberlandesgericht Stuttgart nun erneut über den Fall verhandeln muss. Daimler drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.
„Die Mehrheit der Unternehmen hat den Ernst der Lage erkannt“, sagt Klaus-Dieter Stephan, Partner bei Hengeler Mueller in Frankfurt. So gibt es in 68 Prozent der befragten Unternehmen ein eigenes Ad-hoc-Gremium. Bei mehr als der Hälfte sind entweder der CEO oder der CFO Teil dieses Gremiums.
Indes: Das Kriterium, wonach ein Vorfall möglicherweise „erhebliche“ Auswirkungen auf den Börsenkurs des Unternehmens haben könnte, ist für die Unternehmen nur schwer zu bewerten. „Da helfen auch Entscheidungsrichtlinien nur bedingt“, meint Stephan. „Prognosen, wie sich der Börsenkurs entwickeln wird, bleiben immer schwierig.“ Wenn wesentliche Finanzkennziffern von der Guidance abweichen, liegt eine Ad-hoc-Mitteilung nah. Aber wie sieht es aus, wenn es um ungeprüfte Rohdaten oder Personalgerüchte geht?
Ad-hoc-Verstoß: Bafin ermittelt gegen Borussia Dortmund
Ein solcher Fall bringt aktuell Borussia Dortmund in Bedrängnis: Ende April leitete die Bafin ein Prüfverfahren gegen den Fußballverein ein, weil dieser beim Transfer von Mario Götze zu Bayern München möglicherweise die Ad-hoc-Pflicht verletzt hat. Der Club hatte zunächst ein eine Zeitungsmeldung bestätigt, wonach eine Wechselabsicht bestehe, den Transfer aber erst zwei Tage später per Ad-hoc gemeldet. BVB-CFO Thomas Treß verteidigte dies damit, dass erst zu diesem Zeitpunkt ein schriftliches Angebot von Bayern München eingegangen sei. Die Prüfung läuft noch, dem BVB könnte eine fünf- oder gar sechsstellige Strafe drohen.
„Die Zahl der Verfahren und die durchschnittliche Höhe des Bußgeldes sind in den vergangenen Jahren gestiegen“, beobachtet Knut Wichering von der Equity Story AG, zu der die DGAP gehört. Immer mehr Unternehmen versuchen deshalb, sich abzusichern, indem sie sich hinsichtlich der Ad-hoc-Relevanz einzelner Sachverhalte mit der Bafin abstimmen. Laut der Studie befragen 68 Prozent der Unternehmen in Ausnahmefällen die Finanzaufsicht, 6 Prozent sogar meistens. Doch auch der kurze Draht zur Bafin entbindet Unternehmen nicht von ihrer Verantwortung – am Ende müssen sie selbst über die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung entscheiden.
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