Personal, Marketing, Strategie: Social Media ist heute in vielen Unternehmensbereichen ein Thema – nur nicht bei der Kapitalmarktkommunikation. Für die Kommunikation mit Investoren und der Finanzpresse sei Social Media bislang irrelevant, so die gängige Sicht.
Der Wall-Street-Veteran und berüchtigte Corporate Raider Carl Icahn, der seit Jahrzehnten Unternehmen öffentlichkeitswirksam unter Druck setzt und damit Geld verdient, ist da freilich anderer Meinung. Man sagt über Icahn, dass er keine E-Mails mag. Twitter allerdings findet er gut. Mit über 150.000 Followern, die er mit seinem Mikroblog erreicht, besitzt Icahn ein digitales Megaphon, mit dem er sein Publikum ohne jeglichen Intermediär jederzeit erreichen kann. Twitter zum Beispiel nutzte er aktiv in seiner jüngsten Auseinandersetzung mit Ebay. Auch bei Apple und Dell nutzte er den Mikroblog, um seine Forderungen zu unterstreichen. Regelmäßig führen seine Beiträge zu signifikanten Bewegungen der Aktienkurse der betroffenen Unternehmen.
Auch in Europa mischen sich Investoren immer stärker in das operative Geschäft ein. Europäische Investoren bedienen sich dabei deutlich weniger öffentlichkeitswirksam den Social-Media-Kanälen. Doch es ist damit zu rechnen, dass sich das ändern wird – zumal gerade den Aktivisten aus den USA immer mehr Mittel zufließen.
Deutschland ist viel restriktiver als die USA
Hinzu kommt: Das Instrument Social Media wird am Kapitalmarkt nicht nur von professionellen Investoren genutzt. Beispiel Schweden: Dort scheiterte 2012 das Übernahmeangebot des norwegischen Medienkonglomerats Schibsted für den Streaming-Dienstleister Aspiro auch deshalb, weil eine Gruppe Kleinaktionäre sich auf Facebook zusammenschloss, um die Übernahme zu verhindern.
Die besondere Herausforderung für börsennotierte Unternehmen ist folgende: Investoren und Finanzjournalisten können sich in der Kapitalmarktkommunikation viel freier bewegen als die Unternehmen selbst. Deren rechtlicher Rahmen für die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt ist unter anderem vorgegeben durch das Wertpapierhandelsgesetz sowie die Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung.
Anders als die SEC, die Social Media als zulässigen Informationskanal für die Verbreitung von kapitalmarktrelevanten Informationen im Sinne der US-Regulation Fair Disclosure grundsätzlich anerkannt hat, ist die BaFin im Hinblick auf Social Media als Instrument zur Verbreitung von Insiderinformationen bislang skeptisch.
Auch bei der Veröffentlichung bewertungserheblicher Informationen über Social Media müssen Unternehmen vorsichtig sein: Über „Teil-“, „Retweet-“ und „Like-“ Funktionenladen diese Kanäle zur schnellen Weiterverbreitung von oft verkürzten Inhalten ein. Relativ leicht können sich daraus Gerüchte entwickeln. Falls nicht schnell eine Klarstellung erfolgt, könnte dies einem Unternehmen unter Umständen später als Marktmanipulation angelastet werden. Ähnliche rechtliche Thematiken stellen sich beispielsweise bei Blogs von Vorstandsmitgliedern, die in den USA immer öfter für die persönliche Positionierung und direkte Kapitalmarktkommunikation genutzt werden.
Das Netz im Auge behalten
Eine ungleiche Ausgangssituation auf der einen, rechtlichen Schranken auf der anderen Seite: Börsennotierte Unternehmen sollten sich ihres Handlungsspielraums über Social Media-Kanäle bewusst sein. Ein zielgenaues Monitoring im Netz, das wesentliche von unwesentlichen Themen trennt undrelevante Meinungsführer und Multiplikatoren am Kapitalmarkt berücksichtigt, ist absolute Grundvoraussetzung für eine schnelle Reaktionsfähigkeit.
Sich auch für die Kapitalmarktkommunikation mit Twitter, Facebook und Co. auseinanderzusetzen, ist eine sinnvolle Maßnahme. Vor allem sollten CFOs dies tun, bevor ein Investor das digitale Megafon in die Hand nimmt.