Gleich mehrere Bilanzskandale sind in den vergangenen Monaten öffentlich geworden, teils mit verheerenden Folgen: Die chinesische Grohe-Tochter Joyou schlitterte in die Insolvenz, nachdem Umsätze, Verbindlichkeiten und Barmittel offenbar zu hoch ansetzt worden waren. Beim Telekommunikationskonzern Euromicron haben Bilanzfehler den früheren Alleinvorstand Willibald Späth den Job gekostet. Der Mini-Bond-Emittent Penell hat sein Vorratsvermögen falsch bewertet, Sicherheiten sind verschwunden.
Die drei Unternehmen sind sicherlich Extremfälle. Dennoch ist Bilanzkosmetik in Deutschland gängiger als vermutet. Einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zufolge hält mehr als jeder dritte befragte deutsche Arbeitnehmer die Schönung von Finanzergebnissen hierzulande für weit verbreitet. EY hat für die Studie insgesamt 3.800 CFOs, Leiter der Revision und Rechtsabteilung sowie Mitarbeiter aus 38 Ländern befragt. Aus Deutschland beteiligten sich 100 Personen.
Trotz Compliance-Arbeit: Anreize zur Bilanzkosmetik hoch
Im eigenen Unternehmen haben die Befragten das Schönrechnen zum Teil schon hautnah miterlebt: 8 Prozent der deutschen Befragten geben an, dass im vergangenen Jahr Kosten zu niedrig erfasst wurden – im westeuropäischen Durchschnitt liegt der Anteil derer, die dies erlebt haben, bei nur 5 Prozent. 5 Prozent der deutschen Teilnehmer berichten von vorgezogenen Verbuchungen von Umsätzen (Westeuropa: 7 Prozent).
Weitaus bedenklicher als in Deutschland ist die Entwicklung in Österreich: Dort attestieren 68 Prozent der Befragten den Unternehmen einen Hang zur Bilanzkosmetik – der zweitschlechteste Wert nach Slowenien und Serbien (jeweils 69 Prozent).
Erschreckend, aber nicht wirklich überraschend, findet Studienautor Stefan Heißner, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY, die Studienergebnisse: „Am Ende werden die Mitarbeiter fast ausschließlich danach bewertet, ob sie ihre finanziellen Ziele erreicht haben – auch wenn in den Richtlinien etwas anderes stehen mag. Der Anreiz zu beschönigen ist deshalb hoch.“ Ebenfalls auffällig: Nur 23 Prozent der deutschen Befragten halten die ethischen Standards in ihrem Unternehmen für gut.
CFOs riskieren persönliche Haftung
Viele Unternehmensverantwortliche mussten bereits feststellen, dass es eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Compliance-Arbeit gibt. Für CFOs sollte die EY-Befragung daher einmal mehr ein Warnschuss sein. Sie sollten dafür sorgen, dass die vorgegebenen Richtlinien auch tatsächlich von den Mitarbeitern umgesetzt werden. „Dafür ist bessere Kommunikation, aber auch mehr Kontrolle notwendig“, sagt Heißner.
Am Ende riskieren die Finanzchefs sonst häufig, persönlich am Pranger zu stehen: „Der Übergang zwischen legalen Tricksereien und Straftaten ist oft fließen“, sagt der EY-Berater. Sollte es zu Compliance-Verstößen kommen, droht Vorständen schlimmstenfalls, dass sie selbst in Haftung genommen werden. Eine Gefahr, die den CFOs durchaus bewusst ist: Laut des aktuellen FINANCE-CFO-Panels fürchten immer mehr das Haftungsrisiko im Rahmen der Vorstandsarbeit.
Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption
Einen positiven Trend gibt es dagegen bei der Korruptionswahrnehmung: Zwar unterschreibt noch immer gut jeder vierte Befragte die Aussage, Korruption sei in Deutschland weit verbreitet. Vor zwei Jahren waren es allerdings noch 30 Prozent, 2011 sogar 46 Prozent. Der harte Durchgriff durch die Politik zeigt hier offensichtlich Wirkung.