Der Zenit scheint erreicht: Wirtschaftskriminalität sinkt in Deutschland, wie eine aktuelle Studie des Wirtschaftsprüfungs-und Beratungsunternehmens PwC zeigt. „Die Prävention ist in Unternehmen durch Compliance-Programme so gut wie nie zuvor“, sagten PwC-Partner Steffen Salvenmoser und Professor Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg, bei der Vorstellung der Studienergebnisse in Frankfurt.
So gingen sowohl nachgewiesene Delikte als auch konkrete Verdachtsfälle in den vergangenen Jahren zurück. Gaben vor vier Jahren noch 61 Prozent der befragten Unternehmen an, von einem Delikt betroffen zu sein, sagten dies in der aktuellen Umfrage vergleichsweise geringe 45 Prozent. Für die Studie befragte TNS Emnid im Sommer dieses Jahres 603 Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Mitarbeitern.
Besonders stark sind demnach die Rückgänge bei Korruption, bei Verstößen gegen das Patent- und Markenrecht sowie beim Diebstahl vertraulicher Kunden- und Unternehmensdaten. „Insgesamt konnte das Dunkelfeld aufgehellt werden“, sagt Salvenmoos. So halbierten sich die aufgedeckten Korruptionsfälle von 13 Prozent im Jahr 2009 auf jetzt 6 Prozent. Patent- und Markenrechtsverletzungen gingen von 23 Prozent auf 10 Prozent zurück und der Datendiebstahl verringerte sich dramatisch von 21 auf 5 Prozent.
NSA-Skandal verändert IT
Die subjektive Einschätzung der eigenen Datensicherheit dürfte sich jedoch nach Bekanntwerden des NSA-Spähskandals verschieben. 250 der schon zuvor untersuchten Unternehmen wurden im September nach ihrem Risiko, dass Geschäftsdaten ausgespäht werden, erneut befragt. Immerhin ein knappes Viertel schätzt das Risiko deutlich höher ein als vor den Enthüllungen von Edward Snowden. Das hat, wie schon die Ergebnisse des FINANCE CFO Panels zeigten, Auswirkungen auf die Unternehmens-IT. 40 Prozent der Befragten erwägen demnach konkrete Maßnahmen nach dem Skandal zu treffen. 15 Prozent wollen demnach zu kontinentaleuropäischen IT-Dienstleistern wechseln. Ein knappes Drittel plant Schutzkonzepte für IT- und Telekommunikationssysteme. Jeder zehnte will sich extern beraten lassen; der Rest der Verunsicherten plant Abhörschutz für Anlagen und Räume oder will neue IT-Fachkräfte einstellen.
Trotz der Eintrübung durch den Spähskandal ist für die Autoren der Studie zur Wirtschaftskriminalität die Tendenz klar: Die Wirtschaft in Deutschland wird sicherer. Das sei insbesondere auf eingeführte Compliance-Programme zurückzuführen. Mittlerweile haben drei Viertel der befragten Unternehmen ein entsprechendes Programm eingerichtet, 2007 war es noch nicht einmal die Hälfte. „Das zeigt, dass Unternehmen der Wirtschaftskriminalität nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern, dass sie etwas dagegen tun können“, sagt Bussmann.
Compliance: Geringe Korruptionsvorsorge
Trotz dieser positiven Ergebnisse unterschätzen viele Manager nach wie vor Haftungsrisiken. Bemerkenswert finden die Studienautoren, dass lediglich die Hälfte der Unternehmen über ein Antikorruptionsprogramm verfügt. Selbst von den Unternehmen, die zumindest potenziell von der Gesetzgebung in den USA mit dem Foreign Corrupt Practices Act und dem UK Bribery Act betroffen sind, haben nur 63 Prozent ein solches Programm. Nach ihrer eigenen Einschätzung erfüllen nur 19 Prozent der Unternehmen alle diese Anforderungen.
Der finanzielle Schaden, der denjenigen Unternehmen droht, die ihre Risiken falsch einschätzen, ist beträchtlich. Im Durchschnitt entstanden den Unternehmen laut Studie in den vergangenen zwei Jahren unmittelbare Schäden durch Wirtschaftskriminalität von jeweils 3,2 Millionen Euro. Mit jeweils 20 Millionen Euro schlugen Wettbewerbsdelikte am stärksten zu Buche. Nicht mitgerechnet sind dabei Vertrauensverluste und Imageschäden. Der tatsächliche Schaden für die Unternehmen dürfte also noch deutlich höher liegen.