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Compliance: Störfaktor oder Hilfe für CFO und CEO?

Ist ein Land zu riskant oder nicht? Für CFO und CEO gibt es gute Gründe, die Einschätzung des Chief Compliance Officers ernst zu nehmen.
Thinkstock / Getty Images

Afghanistan, Nordkorea, Somalia: Die Schlusslichter des gerade veröffentlichten Transparency International Corruption Perceptions Index (CPI) 2012 sind keine Überraschung. Dass sie einen derart guten Nährboden für Bestechung und andere Wirtschaftsdelikte bilden, dürfte deutsche und europäische Unternehmen in den meisten Fällen nicht behelligen, haben doch die wenigsten direkte Geschäftskontakte in diese Staaten. Aber auch große Wirtschaftsmächte wie China oder Russland kommen im CPI zum wiederholten Male nicht gut weg: Liegt China mit mageren 39 von 100 möglichen Punkten noch im Mittelfeld, landet Russland mit gerade einmal 28 Punkten auf dem 133. Platz. China sei bereits eine Katastrophe, aber immer noch besser als Russland, heißt es mit Blick auf diese Zahlen.
 
Zwar ist Korruption bei weitem nicht das einzige Problem, das Geschäftsbeziehungen in viele Länder erschwert – aber es ist ein besonderes: „Korruption ist immer am schwierigsten in den Griff zu bekommen, da hier der Antrieb durch den unmittelbaren Profit einzelner Personen am größten ist“, sagt Dr. Konstantin von Busekist, Partner im Bereich Risk & Compliance bei der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft. Trotzdem hält das dürftige Zeugnis viele Unternehmen nicht davon ab, ihre Fühler nach China und Russland auszustrecken oder dort weiter zu expandieren. Wer will schon solche Leckerbissen kampflos der Konkurrenz überlassen? Siemens ist seit über 160 Jahren in Russland, Audi eröffnet bald das zweite Werk in China – um nur einige Beispiele zu nennen. Demgegenüber steht eine Reihe von Unternehmen, die sich bewusst gegen den Gang in diese Länder entschieden haben. Am Ende ist die Rechnung einfach: Frisst die Investition in die Risikominimierung den erwarteten Gewinn auf, geht sie nicht auf.

Compliance-Risiken früh aufspüren

Je bedeutender ein Unternehmen und je größer die geplante Investition, desto mehr ändern sich aber auch die Umstände zu seinen Gunsten: „Wenn man in der Lage ist, einen Mehrwert für das Unternehmen bzw. die Anteilseigner zu schaffen, gibt es keine No-Go-Areas. Die Frage ist dann aber, wer die Spielregeln bestimmt", sagt ein Chief Compliance Officer. Die Voraussetzung dürften die meisten wohl nicht mitbringen. Sie müssen mit einer eingehenden Risikoanalyse die strategische Entscheidung vorbereiten. Das erfordert den Input vieler Bereiche, aber besonders den der Compliance: „Wir müssen Methoden entwickeln können, um Rechtsverstöße in einem neuen Gebiet sicher zu verhindern“, erklärt Heiko Wendel, General Counsel bei Leoni. Ein aufwendiges und kostspieliges Unterfangen: Nicht nur die klassischen Compliance-Instrumente wie Schulungen und Kontrollen kommen dabei zum Zuge. Wendel und seine Kollegen sprechen bei der Vorbereitung zum Beispiel auch mit Botschaftern und anderen Personen, die mit der Landeskultur vertraut sind.

Einen wirklichen Mehrwert kann die Arbeit der Compliance-Abteilung aber nur liefern, wenn sie in einem frühen Stadium in den Strategieprozess eingebunden wird, meint Jörg Bielefeld, Partner bei Beiten Burkhardt: „Die anderen Fachbereiche müssen ebenfalls für Risiken sensibilisiert sein und die Compliance-Abteilung frühzeitig informieren. Das heißt, dass die Compliance-Kollegen beispielsweise Vertragsentwürfe frühzeitig sehen und mit Fragen und Änderungsvorschlägen gehört werden müssen.“ Genau da liege aber der Knackpunkt: „Compliance wird in den meisten Unternehmen mittlerweile wahrgenommen – oft aber noch als Störfaktor.“ Wer ambitionierte Pläne des Vorstands mit dem Hinweis auf meist nicht unmittelbar greifbare Risiken mit einem Fragezeichen versieht, manövriert sich schnell in eine Sackgasse: „Wer immer nur bremst, stößt natürlich auf Widerstände. Der Chief Compliance Officer muss aber dahin gehen, wo es wehtut“, meint von Busekist.

Eine Schwierigkeit, mit der die CCOs sich längst nicht nur bei Expansionsfragen beschäftigen müssen. Klare Empfehlungen auszusprechen erfordert eine enorme Akzeptanz – und keine Konfliktscheu. „Wir geben nach unserer Analyse eine klare Empfehlung an den Vorstand, soweit das möglich ist. Wenn wir zu der Entscheidung kämen, dass ein Gebiet zu riskant ist, würde der Vorstand das mit Sicherheit akzeptieren“, sagt Leoni-Chefjurist Wendel selbstbewusst. Andere geben sich deutlich zurückhaltender und begnügen sich mit der Präsentation der Ergebnisse ihrer Risikoanalyse.

Der Chief Compliance Officer als Feigenblatt von CFO und CEO?

Da aber am Ende die Entscheidung allein beim Vorstand liegt, ist der CCO meist außen vor – und muss sich mit der Hoffnung begnügen, dass mögliche Bedenken aus seinem Stab nicht einfach weggewischt werden und das Management sich darauf zurückzieht, die Compliance wenigstens formell beteiligt zu haben. Von Busekist hat das in der Beratung mehrfach erlebt: „Der Chief Compliance Officer ist immer wieder nur ein Feigenblatt.“ Die Beobachtung teilt auch Bielefeld: „In vielen Fällen wird die Compliance auch erst gefragt, wenn ein Deal schon unter Dach und Fach ist. Leider läuft das dann auf eine reine Alibifunktion hinaus. Als Chief Compliance Officer würde ich dann konsequent sein und die Vertrauensfrage stellen.“

Für den CCO oft leichter gesagt als getan, das geben auch Experten zu. Natürlich stelle man sich die Frage, ob man weitermachen wolle, sagt einer, der erlebt hat, dass ein Unternehmen klare Bedenken bei der Erschließung eines neuen Marktes nicht hören wollte. Dann bleibt dem CCO nur eines: Die eigenen Aktivitäten ganz genau dokumentieren – und alternative Stellenangebote prüfen.

sarah.nitsche[at]finance-magazin.de

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