Die Rechnungszinsen für Pensionsrückstellungen bereiten CFOs schon seit Jahren Kopfzerbrechen. Alleine im ersten Halbjahr 2016 ist der Zins nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS auf 1,7 Prozent und damit den tiefsten Wert seit Jahren gefallen. Der Zins orientiert sich an der Rendite hochwertiger Unternehmensanleihen.
Ähnlich sieht es bei den Unternehmen aus, die nach den nationalen Rechnungslegungsstandards HGB bilanzieren: Dort liegt der Zins, der sich aus dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre berechnet, bei 4,3 Prozent.
Das Problem: Je niedriger der Zins ist, desto höher müssen die Pensionsrückstellungen der Unternehmen sein, um die Versorgungsansprüche erfüllen zu können. Diese hohen Rückstellungen treiben nicht nur die Verschuldung der Unternehmen in die Höhe – sie haben offenbar auch dazu geführt, dass deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren viel zu hohe Steuern gezahlt haben. Das berichtet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen Studie.
Der Gewinn ist laut Steuerbilanz zu hoch
Der Grund: Der Rechnungszins, der für die Ermittlung der steuerlichen Werte verwendet wird, unterscheidet sich stark von dem Rechnungszins nach HGB oder IFRS. Er ist gesetzlich festgelegt und liegt seit 1981 bei 6 Prozent. Das bedeutet, dass der Fiskus ungeachtet aller Turbulenzen an den Finanzmärkten davon ausgeht, dass der Rechnungszins mit 6 Prozent adäquat ist, erklärt Bernd Keller von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Rödl & Partner.
Dadurch sind die Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz rechnerisch geringer als in der Bilanz nach HGB oder IFRS. Die steuerliche Bemessungsgrundlage ist dann höher und dementsprechend ist grundsätzlich auch die Steuerbelastung höher, so Keller.
Die Folge: Unternehmen, die nach HGB bilanzieren, haben durch diese Differenz allein für den Zeitraum 2008 bis 2014 bis zu 25 Milliarden Euro zu viel an Steuern gezahlt, hat IW berechnet. Bei Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, wäre diese Summe sogar noch höher, weil der Unterschied zwischen den Rechnungszinsen noch größer ist.
Rechnungszins: Der Gesetzgeber ist gefragt
Der Gesetzgeber sieht keine Notwendigkeit, den Zins für die steuerliche Berechnung anzupassen. Für CFOs ist dieses Missverhältnis ein Problem, immerhin handelt es sich um reale Geldabflüsse, die aus dieser Zinsdifferenz entstehen. Dennoch sind ihnen die Hände gebunden, erklärt Bernd Keller. Sie haben keinen Handlungsspielraum, können den Zinssatz nicht beeinflussen.
Eine Möglichkeit, die Pensionsverpflichtungen aus der Bilanz auszulagern und damit zunächst unabhängig vom Zinsniveau zu sein, wäre die Übertragung an beispielsweise einen Pensionsfonds. Doch auch das würde zunächst starke finanzielle Belastungen mit sich bringen. „Der Gesetzgeber ist gefordert“, resümiert Keller.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.