HeidelbergCement-CFO Lorenz Näger hat bereits schmerzlich erfahren müssen, wie schnell sich politische Krisen zu einem echten Risiko für das eigene Geschäft entwickeln können: Im Zuge des Ukraine-Konflikte schrumpfte der Umsatz in dem Land um rund 30 Prozent. Im November sah sich der Baustoffkonzern sogar gezwungen, sein Werk in Donezk vorübergehend stillzulegen. Die Separatisten kontrollieren das Gebiet im Osten des Landes, in dem sich das Werk befindet.
Das ist für HeidelCement finanziell zwar verkraftbar, das Ukraine-Geschäft steht nur für ein Prozent des Konzernumsatzes. Dennoch zeigt der Fall, wie wichtig die Analyse von Länderrisiken für CFOs inzwischen geworden ist.
Länderrisiken werden wichtiger im Risikomanagement
Angesichts der zahlreichen geopolitischen Konflikte könnte ihre Bedeutung für das Risikomanagement weiter steigen: „In diesem Jahr dürften sich die politischen Risiken in einigen Teilen der Welt noch einmal verschärfen“, erwartet Tobias Federkeil, Experte für politische Risiken bei dem Industrieversicherungsmakler Marsh. Als Gründe führt er neben politisch motivierter Gewalt auch sinkende Ölpreise an: „Länder wie Venezuela und der Iran, aber auch Mexiko und Russland, die von den Öleinnahmen abhängen, geraten unter Druck.“
Aber auch die Türkei schneidet in der gerade veröffentlichten Risikolandkarte von Marsh schlechter ab als im Vorjahr: „Angesichts der Beschneidung der Pressefreiheit und der unabhängigen Justiz ist Skepsis angebracht“, sagt Federkeil. Ebenfalls auf dem absteigenden Ast sieht Marsh das von sozialen Unruhen und Korruption gebeutelte Brasilien sowie Südafrika, wo das Parlament über Enteignungen debattiert und so potentielle Investoren abschreckt.
Marsh: Versicherer ziehen sich aus Ukraine zurück, Thailand schwierig
Die Verschlechterung der Risikoeinschätzung spiegelt sich auch am Versicherungsmarkt für Länderrisiken wider: „In der Ukraine ist es für Unternehmen fast nicht mehr möglich, neue Versicherungen abzuschließen“, sagt Federkeil. Auch in Thailand schauen die Versicherer genauer hin. CFOs, die bereits vor Jahren solche mehrjährigen Policen abgeschlossen haben, müssten jedoch keine höheren Kosten befürchten: „Versicherungen auf Länderrisiken sind typischerweise unkündbar, und die Prämienrate ist fix.“ Solche Versicherungen greifen etwa dann, wenn politische Umwälzungen zu Zahlungsausfällen oder Unterbrechung der Lieferkette führen.
Auf den Gesamtmarkt schlage die Verschlechterung in einzelnen Regionen aber nicht durch: „Die Kapazitäten und die Deckungen für politische Risiken sind zuletzt sogar noch gestiegen, weil neue Anbieter auf den Markt gekommen sind“, beobachtet Federkeil.
Indien und Indonesien verbessern sich im Risiko-Rating
Es gibt aber auch positive Entwicklungen in Sachen Länderrisiken: So hat Marsh etwa Indien und Indonesien in seiner Risikoeinschätzung hochgestuft. „Beide Länder haben neue Regierungschefs, die mit einem starken Mandat ausgestattet sind und Reformen versprochen haben“, sagt Federkeil. Geliefert haben die Politiker dort bislang jedoch noch nicht.