Selten gab es so wenige Unternehmenskrisen wie derzeit, die Insolvenzzahlen rangieren auf einem langjährigen Tiefpunkt. „Es sind unnatürlich wenige Targets mit Restrukturierungsbedarf am M&A-Markt“, erklärt Thomas Sittel, Partner beim Beratungshaus Goetzpartners.
Schuldenschnitte wie beim Schrottrecycler Scholz oder dem Maschinenbauer Singulus bilden heute die Ausnahme. Stattdessen finanzieren Banken angeschlagene Unternehmen vielfach einfach weiter – und verlängern Kredite, so wie jüngst beim Spezialchemieunternehmen H.C. Starck. „Das Amend&Extend-Volumen bei syndizierten Krediten in Deutschland betrug im vergangenen Jahr 23 Milliarden Euro“, fügt Sittel hinzu.
Das „Weiter so“ der Banken ist teilweise bedenklich. „Für Unternehmen hat es schlechte Folgen, wenn die Bilanz nicht restrukturiert wird“, warnte Marcel Herter vom Finanzierungsberatungshaus Herter & Co auf der 11. Deutschen Distressed-Assets-Konferenz (DAK), die FINANCE vorige Woche in Frankfurt ausgerichtet hat. Wichtige Investitionen blieben so auf der Strecke, moniert der Finanzierungsberater. Oskar von Kretschmann (HSBC) und Andreas Jaufer, Geschäftsführer beim Debt-Fonds Robus Capital, pflichteten ihm bei. Die Gefahr bestehe, dass wie im Japan der 1990er-Jahre immer mehr Zombieunternehmen entstehen.
Distressed-Käufer hoffen auf neue Deals wie Apcoa und Scholz
Dass der Verkauf von notleidenden Krediten für Banken die Ultima Ratio bleibt, ist bemerkenswert. Derzeit könnten die Geldhäuser sehr gute Preise erzielen, wenn Sie Kredite unter Buchwert an spezialisierte Distressed-Fonds weiterreichen – das wurde bei den Diskussionen auf der DAK-Konferenz überdeutlich. Über 150 Käufer und Verkäufer von Distressed Assets tauschten sich über die Marktsituation aus und waren sich einig, dass sich die Marktlage in den vergangenen Jahren diametral verändert hat. In der Folge der Finanzkrise fanden Angebot und Nachfrage im Distressed-Assets-Handel wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen zeitweise nicht zueinander. Heute ist es wieder so, nur mit umgekehrten Vorzeichen.
In den vergangenen Jahren dominierten Distressed-Fonds wie Centerbridge oder Strategic Value Partners das deutsche Distressed-Assets-Geschäft. Sie investierten in Unternehmen wie Apcoa (Centerbridge), Klöckner Pentaplast (Strategic Value Partners) und Scholz (Davidson Kempner).
Bei der Finanzierung von Restrukturierungsfällen stehen nach Ansicht der Teilnehmer derweil Debt Fonds verstärkt im Wettbewerb mit Banken. Die Mehrzahl der am Rande der DAK-Befragten (58 Prozent) traut den Debt Fonds zu, weiter Marktanteile zu gewinnen. Gerade bei der Refinanzierung von angeschlagenen Emittenten von Mittelstandsanleihen sahen die Konferenzteilnehmer die Debt Fonds vorn (48 Prozent), dicht gefolgt von Distressed-Fonds (44 Prozent). Banken halten sich, abgesehen von Einzelfällen, in dem Segment zurück.
Elumatec erst saniert, dann an Cifin verkauft
Dass selbst eine Insolvenz nicht das Ende sein muss, zeigte die Saniererin Britta Hübner am Beispiel von Elumatec auf. Der Maschinenbauer aus Mühlacker bei Pforzheim wurde in mühevoller Kleinarbeit seit der Insolvenz im Jahre 2013 saniert und Anfang dieses Jahres an die italienische Cifin-Holding verkauft. Am Investorenprozess beteiligten sich auch zahlreiche Finanzinvestoren, die letztlich aber nicht zum Zuge kamen.
Auch der Flusskreuzfahrtgesellschaft Nicko Cruises gelang unter Federführung von Insolvenzverwalter Michael Pluta, der auch bei dem Modehaus Strenesse tätig war, das Überleben – allerdings nur mit Hilfe wichtiger Lieferanten.
Wie gefährlich das Agieren am Rande der Insolvenz ist, zeigte das Streitgespräch zwischen dem Insolvenzverwalter Biner Bähr (White & Case) und dem Restrukturierer Robert Simon. Letzterer berichtete von Fällen, bei denen er Verhandlungen über einen Verkauf des angeschlagenen Unternehmens auf dem Amtsgericht führte. Scheitert ein solcher Deal, drohen Restrukturierungsmanagern im Nachhinein oft drakonische Strafen.
Über die rechtlichen Konsequenzen und drohenden Anfechtungsklagen bei der Vergabe von Gesellschafterdarlehen referierte Alexandra Schluck-Amend (CMS): In vielen Fällen sind die nachrangigen Darlehen nachträglich anfechtbar. Wenn der M&A-Markt rund um die Sanierungsfälle wieder anspringt, könnte dies ein Thema werden, das die Marktakteure bewegt.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.