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Steuerrechtler Wiese: „Der CFO ist als Kommunikator gefragt“

Die Sanierung stellt Unternehmen steuerrechtlich vor einige Schwierigkeiten. Der CFO muss deshalb rechtzeitig das Gespräch mit den Finanzbehörden suchen, sagt Götz Wiese.
Latham & Watkins

Der Gesetzgeber will eine Sanierungskultur in der deutschen Wirtschaft verankern – dazu sollte zuletzt das ESUG beitragen, das die Restrukturierung von angeschlagenen Unternehmen erleichtern soll. Steuerrechtlich ist die Lage in solchen Fällen aber ganz schön unübersichtlich.
Das stimmt. Wenn ein Unternehmen nur deswegen einen Gewinn macht, weil die Gläubiger in einer Krisensituation auf Forderungen verzichten, müsste dieser Sanierungsgewinn eigentlich versteuert werden. Die frühere Regelung, dass Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuer befreit werden, hat der Gesetzgeber gestrichen. Sonst hätten Unternehmen doppelt profitieren können: Zum einen durch den steuerfreien Sanierungsgewinn, zum anderen dadurch, dass sie trotzdem ihre Verlustvorträge nutzen dürfen. Die Finanzverwaltung will Unternehmen aber trotzdem helfen und hat deshalb im so genannten Sanierungserlass bestimmt, dass Sanierungsgewinne nicht versteuert müssen, wenn der Verlustvortrag aufgebraucht ist. Aber: Diese Regelung hat einige Haken.

Welche sind das?
Der eine Punkt ist das Europarecht. Der Steuererlass könnte eine unzulässige Beihilfe sein. Deutsche Unternehmen, die im europäischen Wettbewerb stehen, werden gegenüber kriselnden Unternehmen aus anderen Ländern privilegiert. Diese Bedenken gibt es schon länger, aber die EU hat bislang keinerlei Schritte unternommen, in dieser Frage ein formelles Verfahren einzuleiten. Ein Restrisiko bleibt aber. Ein weiteres Problem sind die Zuständigkeitskonflikte zwischen der Finanzverwaltung und dem deutschen Gesetzgeber, weil der Sanierungserlass ja kein Gesetz ist.

Das klingt eher nach einem dogmatischen Problem.
Ja, aber mit durchaus praktischen Konsequenzen. Unternehmen brauchen Klarheit – sie müssen sich ja darauf verlassen können, dass nicht doch irgendwann einmal Steuern zurückgefordert werden und dann damit eine vielleicht erfolgreiche Restrukturierung Jahre später zunichte gemacht wird.

Der CFO muss Überzeugungsarbeit leisten

Woher bekommen sie dann die Sicherheit, dass der Fiskus nicht doch später die Sanierungsgewinne besteuert?
Sie brauchen eine sogenannte verbindliche Auskunft, und zwar sowohl vom Finanzamt, das für die Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer zuständig ist, als auch von der Gemeinde, die die Gewerbesteuer erhebt. Mit dieser Auskunft kann die Geschäftsführung sich darauf verlassen, dass es keine spätere Besteuerung gibt. Das klingt auf den ersten Blick einfacher als es für die Unternehmen tatsächlich ist. Die Anträge müssen als unternehmensinternes Projekt begriffen werden, das Zeitmanagement spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Das Unternehmen muss seinen Business Plan vorlegen und damit zeigen, dass es mit den geplanten Kapitalmaßnahmen längerfristig überleben kann. Der Business Plan ist Teil eines Sanierungsgutachtens.

Den Business Plan arbeitet die Geschäftsführung aber doch ohnehin vor dem Beginn der Sanierung aus.
Ja, aber viele Unternehmen unterschätzen, dass es allein mit der technischen Aufbereitung nicht getan ist. In den Entscheidungsprozess, ob eine verbindliche Auskunft erteilt wird oder nicht, sind häufig viele Personen involviert. Die Kommunikation ist deshalb entscheidend – und da sehe ich in erster Linie den CFO in der Verantwortung. Er muss das persönliche Gespräch mit den entscheidenden Mitarbeitern beim Finanzamt und den Gemeinden suchen und sie davon überzeugen, dass der Fiskus neben den Banken, die bei der Sanierung die Hauptlast tragen, auch seinen Teil beisteuert. Da ist unter Umständen einige Überzeugungsarbeit nötig: Die Finanzämter haben mit diesen Verfahren nach der Krise mittlerweile eine ganz gute Routine entwickelt, bei den Gemeinden ist das noch sehr unterschiedlich.

sarah.nitsche[at]finance-magazin.de

Info

Dr. Götz T. Wiese ist Geschäftsführer des Hamburger Forums für Unternehmensteuerrecht. Zudem leitet er als Partner von Latham & Watkins die deutsche Steuerrechtspraxis der Wirtschaftskanzlei.

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