„Die nächste Krise kommt bestimmt“, ist eine altgediente Floskel. Trotz der beinahe durchweg positiven Nachrichten in der deutschen Wirtschaft, kommt eine Umfrage der Strategieberatung Oliver Wyman zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Zwei von drei Banken und Fremdkapitalgebern erwarten eine Zunahme von Unternehmenskrisen in den kommenden zwölf Monaten.
Aber nicht nur die Finanzierungspartner zeigen sich besorgt, auch die in einem zweiten Teil befragten Unternehmen: Rund ein Viertel von ihnen gab an, ein Problem mit dem Umsatz zu haben. Mehr als 95 Prozent der teilnehmenden Unternehmen sehen zudem Handlungsbedarf bei der Vermeidung oder der Lösung von Unternehmenskrisen.
Restrukturierung: Banken wollen harte Finanzfakten
Im Mittelstand greift dabei eine neue Vorsicht um sich, offenbar haben die deutschen Unternehmen aus den Krisen der vergangenen Jahre gelernt: „Im Vergleich zu den Vorjahren schauen viele Unternehmen intensiver auf Marktentwicklungsszenarien, auf ihren Auftragseingang und wie sie sich im Vergleich zur Konkurrenz entwickeln“, sagt Lutz Jäde, Partner bei Oliver Wyman und Autor der Studie „Führung in der Krise“.
Indes: Die für ihre Finanzierungspartner wichtigen Kennzahlen sammeln die Unternehmen oft gar nicht oder nur unzureichend. Offenbar haben zahlreiche CFOs im Mittelstand noch Nachholbedarf in ihrem Kreditorenmanagement: „Banken und Fremdkapitalgeber wollen meistens den Verschuldungsgrad wissen, also den Net-Debt-to-Ebitda-Ratio oder die Eigenkapitalquote“, sagt Jäde – klassische Finanzchefthemen „Einige Unternehmen berechnen diese Finanzkennzahlen jedoch nur einmal im Jahr. Das reicht natürlich nicht, um eine Krise frühzeitig zu erkennen.“ So verliert das Management in kritischen Situationen dann auch schnell das Vertrauen der Finanzierungspartner.
Unternehmen sehen CROs oft skeptisch
Um diese Kennzahlen schnell zu sammeln oder verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen, hilft im Notfall ein Chief Restructuring Officer (CRO), was die CFOs häufig entmachtet – zumindest wenn der CRO von den Finanzierungspartnern installiert wird. Bei dem Einsatz eines Restrukturierers klaffen die Meinungen der Unternehmen und Kreditgeber aber noch weit auseinander. Der Umfrage zufolge hält immerhin jedes dritte befragte Unternehmen den Einsatz eines CROs für nicht sinnvoll. Banken und Fremdkapitalgeber stehen den Restrukturierern hingegen ausnahmslos positiv gegenüber. Sie wollen einen erfahrenen Krisenmanager in der Geschäftsführung oder im Vorstand sehen.
Restrukturierungsexperte Jäde zufolge profitieren insbesondere kleinere Mittelständler von CROs: „Bei kleineren Unternehmen fehlt im Management oft die Krisenerfahrung“, sagt er. „Sie können das Unternehmen zwar in erfolgreichen Zeiten führen, verfügen jedoch über zu wenig Erfahrung in Notsituationen.“ Diese Unzulänglichkeit einzugestehen, fällt vielen aber schwer.
„Erstmal den Puls messen“
Dabei muss ein CRO oft gar nicht alles umwälzen. Restrukturierern empfiehlt Jäde, zunächst die Transparenz des Unternehmens zu verbessern, um das Vertrauen der Finanzierungspartner zu gewinnen. Schmerzhafte Fragen müssen schnell gestellt werden, beispielsweise: Wie ist die Liquiditätssituation? Wo schwächelt die Performance? „Da muss man den Puls messen.“
Oft reicht es dann auch, wenn ein CRO dem Unternehmen beratend zur Seite steht. Dennoch plädiert Jäde für eine starke Rolle des Restrukturierers: „Der CRO braucht Vetorechte in Restrukturierungsfragen, damit das Unternehmen nicht in alte Verhaltensweisen zurückfällt.“ Tipp für die externen Manager: „Ein schlechter CRO führt sich auf wie die Axt im Walde.“
Info
Für die Studie befragte die Unternehmensberatung Oliver Wyman über 100 Experten aus der Unternehmens- und Finanzierungsseite in Form eines Online-Fragebogens. Die Befragungen und Datenerhebenungen fanden im Zeitraum September 2014 bis Februar 2015 statt.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.