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Zahlungsmoral europäischer Unternehmen ist kritisch

Der aktuelle European Payment Report des Kredit-Servicers Intrum Justitia für den Zeitraum Februar bis April 2015 zeigt, wie schlecht es um  das Zahlungsverhalten innerhalb Europas steht. Im European Payment Risk Index beurteilt Intrum Justitia auf einer Skala von -2 (geringe Stabilität bei hohem Risiko) bis +2 (hohe Stabilität bei geringem Risiko) das Zahlungsverhalten. Der Index setzt sich aus den drei Faktoren Zahlungsmoral, Zahlungsverzugsrisiko und Auswirkungen verspäteter Zahlungen zusammen.

Deutschland liegt mit einem Wert von 0,28 zwar über dem Durchschnitt, liegt jedoch gegenüber den skandinavischen Ländern Dänemark (0,60), Schweden (0,35) und Finnland (0,34) zurück. Auch Österreich und Ungarn liegen im Ranking vor Deutschland, ebenso Estland. Besonders schlecht sieht es wie gehabt in Südeuropa aus: Spanien, Italien und Portugal weisen  Werte zwischen minus 0,82 und minus 0,89 aus.

Betrachtet man nur das Zahlungsverhalten von Unternehmenskunden, so ist Deutschland in Europa noch eines der besseren Länder. Nur in Deutschland, Litauen und Lettland scheinen die  Zahlungen im Großen und Ganzen tatsächlich innerhalb der vereinbarten Zahlungsziele zu erfolgen. Italienische Unternehmen dagegen warten nach wie vor im Schnitt 80 Tage auf ihr Geld, in Portugal und Spanien sind es jeweils 70 Tage.

Unternehmen kennen EU-Richtlinie nicht

Die überwiegend negativen Index-Werte belegen, dass die Mitte 2011 verabschiedete EU-Zahlungsverzugsrichtlinie bisher kaum Wirkung zeigt. Die Richtlinie sollte in erster Linie die Position der Unternehmen stärken und legt beispielsweise das Zahlungsziel für Unternehmen auf maximal 60 Tage fest. Zudem dürfen Unternehmen im Fall eines Zahlungsverzugs eine Pauschale von mindestens 40 Euro sowie automatische Verzugszinsen verlangen. Die EU empfiehlt mindestens 8 Prozentpunkte über dem Leitzins der EZB.

Doch es ist fast so, als hätte es diese EU-Initiative nie gegeben. Von den insgesamt 8.979 befragten Unternehmen (davon 670 aus Deutschland) wussten lediglich 31 Prozent von der Existenz der seit 2013 in nationales Recht umgesetzten EU-Richtlinie. Einen positiven Einfluss auf die Zahlungsmoral sehen nur 6 Prozent. Wenig erstaunlich: Die den Unternehmen zustehenden Rechte werden von der überragenden Mehrheit (60 Prozent) auch nicht genutzt. Intrum-Justitia-CEO Lars Wollung fordert deshalb eine Überarbeitung der Richtlinie.

Viele Kunden zahlen mit voller Absicht zu spät

Eine strengere Richtlinie würde laut Wollung dazu beitragen, die Schäden durch Zahlungsverzug zu reduzieren. Dabei steht viel Geld auf dem Spiel: Die aktuelle Umfrage ergab, dass europäische Unternehmen im Schnitt noch immer rund 3 Prozent ihrer Jahresumsätze abschreiben müssen, in Deutschland sind es 2,5 Prozent. Dies kostet laut Intrum Justitia Europas Unternehmen jährlich 289 Milliarden Euro. 40 Prozent der Befragten sehen dadurch ihr Wachstumspotential beeinträchtigt, 31 Prozent sogar die langfristige Existenz ihres Unternehmens bedroht.

Bitter: 60 Prozent der Befragten unterstellen ihren Kunden, die Zahlungsziele absichtlich zu überziehen. Umso verwunderlicher ist es, dass nur wenige Unternehmen Schutzmaßnahmen treffen: Rund die Hälfte plädiert hier für die Vorauszahlung, 35 Prozent versprechen sich von der Bonitätsprüfung den größten Erfolg, während 27 Prozent ihr Geld verstärkt über Inkassodienstleistungen eintreiben lassen.

Dass Unternehmen ihr Zahlungsziel zunehmend ausreizen, ist aber auch den Bestrebungen vieler Großkonzerne nach einer Optimierung des Working-Capitals geschuldet, wie die FINANCE-Schwesterpublikation „Der Treasurer“ jüngst berichtete. Vor allem in Deutschland zieht das Working-Capital-Management die Zahlungsmoral in Mitleidenschaft.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Hintergründe zur Datenerhebung

Emittent: Intrum Justitia

Zeitraum: Februar bis April 2015

Befragte: rund 8.979 Unternehmen aus 29 Ländern (davon 670 aus Deutschland)

Unternehmensgröße: bis 19 Mitarbeiter (80 Prozent), 20 bis 49 Mitarbeiter (9 Prozent), 50-249 Mitarbeiter (6 Prozent), 250 bis 499 Mitarbeiter (2 Prozent), 500 bis 2.499 Mitarbeiter (2 Prozent), über 2.500 Mitarbeiter (1 Prozent)

Wirtschaftssektor:  Einzel- und Großhandel (21 Prozent), Dienstleistungen (11 Prozent), Bauwesen (9 Prozent), Freiberufliche Dienstleistungen (8 Prozent), Sonstiges (15 Prozent)

Methodik: Fragebögen (Online und Papier) mit Antwortenskala von 0 bis 5 (0-2 entspricht niedrigem Wert, 3-5 entspricht mittlerem bis hohem Einfluss) wie Unternehmen die Folgen von Zahlungsverzügen in Bezug auf sieben verschiedene Aspekte beurteilen.

European Risk Index: basiert auf drei Komponenten (Zahlungsmoral, Zahlungsverzugsrisiko, Einfluss verspäteter Zahlungen) aus denen sich der Hauptindex errechnet. Der niedrigste mögliche Weg ist +2, der niedrigste -2.

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