Das Frühjahr dürfte eisig werden für die Akteure am M&A-Markt. Obwohl die EZB die Banken an die Brust genommen hat und sie mit unbegrenzter Liquidität säugt, gibt es auch in Deutschland einen Bereich, in dem sich eine veritable Kreditklemme entwickelt hat – die Finanzierung von kleinen und mittelgroßen M&A-Deals. „Kredit ist der Engpass am M&A-Markt 2012“, glaubt Steffen Böhmert, Leiter Leveraged Finance der NIBC Bank in Deutschland.
Das spüren vor allem Finanzinvestoren. Die Februar-Befragung des FINANCE Private Equity Panels ergab, dass die PE-Profis momentan noch schlechter an Fremdkapital herankommen als im Herbst. Inzwischen stufen die rund 40 befragten Private-Equity-Häuser die Verfügbarkeit von Fremdkapital für Buy-out-Transaktionen mehr als 40 Prozent schlechter ein als noch im vergangenen Mai. Auch die im Rahmen des FINANCE M&A Panels befragten Investmentbanker schätzen die Chancen der Finanzinvestoren, an Fremdkapital zu kommen, noch einmal schlechter ein als zuletzt.
Kein Wettbewerb mehr bei Leveraged Finance
Das Problem: Seit dem Sommer herrscht im Leveraged-Finance-Markt kein Wettbewerb mehr. „Die Liquidität im Midcap-Segment ist gering, der Markt sehr konsensual“, beschreibt der Ex-Banker und heutige Finanzierungsberater Richard Rösener von Cubus Partners die Lage. Deals schnell und sauber abzuschließen wird damit zur Herkulesaufgabe: „Die meisten Banken wollen keine großen Syndizierungsrisiken nehmen und begrenzen ihre Finanzierungszusagen auf 10 bis 20 Millionen Euro. Aktuell sind auch bei Kreditvolumina von 100 Millionen meist mindestens fünf Banken involviert“, klagt Thomas Fotteler, Partner des Mittelstandsinvestors Halder.
Das sorgt für handfeste Probleme: „Die Bankenclubs werden wieder größer und damit auch die Unsicherheit – für den Abschluss, aber auch über die Laufzeit der Kredite“, sagt der frühere Banker. „Underwritings sind eine Ausnahmeerscheinung“, ergänzt Böhmert. Erst ab einem Debt-Volumen von 300 bis 400 Millionen Euro werde es wieder einfacher, denn dort treten dann die großen Investmentbanken auf den Plan, und auch der Bondmarkt kommt ins Spiel.
Komplizierter und teurer
Doch der Kredit wird nicht nur komplizierter, sondern auch noch teurer – wie immer, wenn es an Wettbewerb fehlt. Seit einem Jahr kennen die Kreditmargen bei Akquisitionsfinanzierungen nur einen Weg: nach oben. Banker berichten von einem Anstieg um rund 50 Basispunkte. Für die amortisierenden A-Tranchen sind in Deutschland aktuell 400 bis 450 Basispunkte über Euribor fällig, bei den endfälligen B-Tranchen sind es 450 bis 500 Basispunkte. Kommen Spezialinvestoren wie Debt-Fonds ins Spiel, erhöht sich das Pricing um weitere 50 Basispunkte.
Und das ist noch nicht alles: „Auch die Laufzeiten sind kürzer geworden. Heute laufen die A-Tranchen sechs, die B-Tranchen sieben Jahre – beide ein Jahr kürzer als vor Lehman. Die C-Tranchen sind vollständig von der Bildfläche verschwunden“, erzählt Rösener. Die meisten Finanzinvestoren rechnen laut einer Umfrage der Prüfgesellschaft Deloitte damit, dass die Margen für den Rest des Jahres auf diesem Niveau bleiben werden.
Auch mit Mezzanine hakt es. „Mezzanine-Geber haben so hohe Renditeansprüche, dass sie für Käufer nur noch in Ausnahmefällen attraktiv sind“, glaubt Rösener. Auch die Banken reagieren zunehmend allergisch auf Mezzanine in der Finanzierungsstruktur. Sie erinnern sich noch gut daran, dass es in der Wirtschaftskrise bei zahlreichen Refinanzierungen die Mezzanine-Gläubiger waren, die die Verhandlungen schwer torpedierten, während sich Senior-Gläubiger und Gesellschafter leichter einig wurden. So neigen die Banken inzwischen dazu, die Leverage-Ratios zu reduzieren, sobald Mezzanine ins Spiel kommt. Mehr Eigenkapital und mehr teures Mezzanine in der Struktur – für Investoren drückt das gleich doppelt auf die Eigenkapitalrendite.
Leverage durch die Hintertür
Diese Gemengelage dürfte M&A-Transaktionen in den kommenden Monaten erheblich beeinträchtigen, hat die Transaktionssicherheit für die wenigen Verkäufer am Markt im Moment doch herausragende Bedeutung: „Im Zweifel gehen die Verkäufer lieber mit dem Kaufinteressenten, der den Kaufpreis schon beisammen hat, anstatt auf einen zu warten, der noch an seiner Finanzierung arbeitet“, hat Rösener beobachtet.
Finanzinvestoren wie Halder scheinen sich darauf eingestellt zu haben, in Finanzierungsfragen gehen sie vermehrt andere Wege. „Wo es sich anbietet, sprechen wir die schon engagierten Banken darauf an, ob sie sich vorstellen könnten, das Kreditengagement bei einem Eigentümerwechsel fortzusetzen. Die Chancen dafür sind nicht schlecht, denn die Banken kennen ein Unternehmen, das sie seit Jahren begleiten, besser als die Banken, die neu dazukommen.“
Und das Umdenken geht noch weiter: „Inzwischen ist es Standard, dass wir bei Unternehmen, die wir uns anschauen, eine All-Equity-Finanzierung prüfen“, berichtet Fotteler. Das bietet immer noch die Möglichkeit, anschließend durch die Hintertür Leverage in das Unternehmen zu holen. Asset-basierte Finanzierungsvarianten scheinen dabei besonders ins Blickfeld geraten zu sein.
Generell wird Private Equity künftig wohl stärker auf direkte Corporate-Finanzierungen der Portfoliounternehmen selbst zurückgreifen müssen: „So bekommt man weniger Leverage als bei einer normalen LBO-Finanzierung, aber die Konditionen sind gut“, wägt Fotteler ab. So hat Halder 2011 ein neu erworbenes Portfoliounternehmen fast ausschließlich auf Corporate-Ebene finanziert.
Ausweg: Kapitalmarkt
Hier spielt Unternehmenskäufern die Marktentwicklung ausnahmsweise mal in die Karten, denn der Kapitalmarkt bietet dieser Tage auch kleinen Unternehmen diverse Möglichkeiten, die Finanzierung bankenunabhängiger aufzusetzen.
Schuldscheindarlehen, Private Placements und Mini-Bonds können ein Weg sein, nach Abschluss einer Transaktion das nachzuholen, was vorher wegen der zurückhaltenden Banken nicht machbar gewesen ist. Auch strategische Käufer ohne gut gefüllte Kriegskasse finden im Moment leichter als sonst Zugang zum Kapitalmarkt. Größeren Mittelständlern steht darüber hinaus der momentan sehr liquide High-Yield-Markt offen. „Auch spezialisierte Debt-Funds werden im Midcap-Segment an Bedeutung gewinnen“, erwartet Rösener.
Verkäufer müssen Geld mitbringen
Verkäufer müssen sich darauf einstellen, dass Finanzinvestoren, aber auch Strategen mit einem schlechten Rating, mit stumpfen Waffen um die Deals kämpfen müssen. Öfter als in der Vergangenheit – und stärker als gewollt – werden die Verkäufer mit ihrem Geld dazu beitragen müssen, dass der Käufer die Transaktion stemmen kann. Verkäuferdarlehen könnten Trend der Saison werden.
Die gute Nachricht: Aus Sicht der Verkäufer sind derartige Darlehen so attraktiv wie lange nicht mehr: Angesichts gestörter Aktienmärkte und der niedrigen Renditen an den Bondmärkten sind Alternativanlagen für den Verkaufserlös wenig attraktiv, während bei Verkäuferdarlehen dank der Kreditklemme sehr auskömmliche Zinsen drin sind.
Vor allem aber entwickeln sich die Kreditbedingungen klar zugunsten der Gläubiger: „Wenn die Banken bei der Finanzierung nicht dominieren, kann man den Verkäufern für ihre Darlehen zum Beispiel eine Cash-Verzinsung anbieten“, sagt Finanzinvestor Fotteler. Die Regel sind eher endfällige Darlehen. Möglicherweise sind für die Geldgeber sogar handfeste Sicherheiten drin – eine Ausnahmeerscheinung, traditionell sind Verkäuferdarlehen eher Mezzanine-nah strukturiert.
Augen auf und durch
In einigen aktuellen Transaktionen suchen die Verkäufer nach einem Ausweg, indem sie den Prozess anwärmen und zunächst die Banken versorgen, bevor die Unterlagen an die Kaufinteressenten verschickt werden. Ein bis zwei Monate Vorsprung für die Banken und eine eigene Managementpräsentation hält Böhmert für nötig, damit die Banken rechtzeitig zum offiziellen Start des Unternehmensverkaufs Finanzierungszusagen abgeben können. „Ein eigener ‚Banken-Stream‘ ist der kommende Standard“, glaubt der NIBC-Banker.
Für die Verkäufer sind solche „Soft Stapled“-Prozesse mit unverbindlichen Finanzierungszusagen aber aufwendig: Das Zeit- und Prozessmanagement ist nicht einfach, und man muss vorab intensiv das eigene Unternehmen durchleuchten lassen. „Damit die Banken Zusagen machen, muss der Verkäufer eine gute Vendor Due Diligence machen, mindestens eine Commercial und Financial Due Diligence, gerne auch noch eine rechtliche Prüfung“, fordert Böhmert. Doch die Mühe kann sich lohnen: Mit klaren Finanzierungszusagen der Banken kann der M&A-Prozess nicht nur zügig durchgezogen werden. Er wird womöglich auch kompetitiver, da die Kreditzusagen der Banken ja für alle Käufer gelten.
Soft Stapled hat viele Tücken
Doch ein Massenphänomen wird „Soft Stapled“ nicht werden, schließlich birgt es für die Banken eine Reihe von Tücken. „Für Banken ist Stapled Finance problematisch“, meint Finanzierungsberater Rösener. „Bei zu moderaten Finanzierungsindikationen setzen sie eine Benchmark, die ihre Wettbewerber dann überbieten können. Werden die angebotenen Parameter jedoch vom Markt als zu aggressiv empfunden, finden sich keine Partner für eine mögliche Finanzierung.“
So wird „Soft Stapled“ eher eine von mehreren Übergangslösungen sein, die helfen, den M&A-Markt lebendig zu halten, bis die Banken wieder mehr Appetit auf Risiko bekommen. Früher oder später wird das wieder der Fall sein, ist sich Rösener sicher: „Banken sind Prozykliker schlechthin. Wenn das Geldverdienen wieder im Vordergrund steht und nicht mehr der Abbau von Risikoaktiva, dann wird der Wettbewerb auch wieder härter werden.“
Anscheinend suchen manche Auslandsbanken wie die Bank of Ireland, GE Capital oder die Société Générale schon wieder Verstärkung für ihre Leveraged-Finance-Teams. Für eine ganze Weile wird es aber dennoch heißen: Augen auf und durch.