Unsichere Zeiten für Tui: Nach der Bundesregierung und den kreditgebenden Banken muss der Reisekonzern nun auch die Gläubiger einer 300-Millionen-Euro schweren Anleihe um Unterstützung bitten. Die Inhaber des Papiers, das mit 2,125 Prozent verzinst wird und bis Oktober 2021 läuft, sollen einer Änderung der Anleihebedingungen zustimmen.
Was technisch klingt, ist für Tui immens wichtig: Stimmen die Anleihegläubiger nicht zu, dann droht das gerade erst vereinbarte zweite staatliche Hilfsprogramm über 1,2 Milliarden Euro zu platzen. Entsprechend betonen auch die Hannoveraner die Dringlichkeit: Die Zustimmung sei für den Zugang zu den zusätzlichen Finanzhilfen von „großer Bedeutung“.
Gläubiger sollen auf Covenant verzichten
Tui hatte bereits vergangene Woche bei Bekanntgabe des zweiten Rettungsprogrammes angekündigt, dass die Anleihegläubiger dabei eine wichtige Rolle spielen werden. Nun hat der Konzern konkretisiert, worum es geht. So sollen die Gläubiger zustimmen, dass die festgeschriebene Begrenzung der Finanzverschuldung der Tui ausgesetzt wird.
Bisher ist in den Anleihebedingungen vorgesehen, dass der konsolidierte Zinsdeckungsgrad – also das Verhältnis des operativen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zum Zinsaufwand – mindestens 2,0 beträgt. Mit dem neuen KfW-Kredit würde dieses Verhältnis aber darunter fallen, weil der Zinsaufwand steigt, wie Tui auf Nachfrage gegenüber FINANCE erklärt. Das bedeutet, dass der von der Coronavirus-Pandemie hart getroffene Konzern operativ nicht einmal mehr doppelt so viel verdient wie er an Zinsen für seine Schulden zu zahlen hat.
Die Abstimmung soll ohne Versammlung vom 4. bis zum 8. September über die Plattform Lucid stattfinden. Nach dem deutschen Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) braucht Tui dafür die Teilnahme von 75 Prozent der Anleihegläubiger, wobei dann die Hälfte der Aussetzung des konsolidierten Deckungsgrads zustimmen müssten. Lehnen sie ab, kommt es zu einer zweiten Abstimmungsrunde.
Die Zeit drängt: Tui soll die Anleihebedingungen bis zum 30. September ändern – so sieht es das mit der KfW ausgehandelte Rettungspaket derzeit vor. Der Bond notiert mit 80 Prozent derzeit deutlich unter par. Allerdings war der Kurs im März sogar auf 65 heruntergerauscht.
Tui sichert sich erneut Hilfspaket
Erst vergangene Woche gaben die Hannoveraner bekannt, dass sie erneut Geld brauchen. Der Konzern einigte sich mit der KfW und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) auf ein Rettungspaket von 1,2 Milliarden Euro, das der Konzern braucht, um die touristische Saisonalität im Winter 2020/21 abzusichern sowie weitere mögliche Reisebeschränkungen.
Letzteres kam dann schneller als erwartet: Seit dem Wochenende warnt die Bundesregierung vor touristischen Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Balearen. Tui sagte daraufhin alle Pauschalreisen in das Land ab und hat damit begonnen, Kunden zurückzuholen. Zugleich betont ein Konzernsprecher heute gegenüber FINANCE erneut, dass das zweite Hilfspaket nur als Liquiditätspuffer diene. Dieser beläuft sich auf insgesamt 2,4 Milliarden Euro.
Das Paket setzt sich über zwei Kanäle zusammen: Zum einen soll ein bestehender KfW-Kredit um 1,05 Milliarden Euro aufgestockt werden. Zum anderen will der WSF eine Wandelanleihe von 150 Millionen Euro zeichnen – was zu einem Einstieg des Staats bei Tui führen könnte.
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Tui setzte schon Kreditbedingungen aus
Schon im März musste sich der durch die Coronakrise gebeutelte Konzern einen KfW-Kredit von 1,8 Milliarden Euro sichern. Damals musste sich Tui von den kreditgebenden Banken das Einverständnis holen, dass Kreditbedingungen ausgesetzt werden. Darunter fällt zum Beispiel, dass die Nettoverschuldung nicht das Dreifache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) überschreitet.
Info
Mehr über die Tui-CFO finden Sie auf dem Köpfe-Profil von Birgit Conix. Wie der Konzern versucht, die Coronakrise zu überstehen, können Sie auf unserer Themenseite zu Tui nachlesen.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.