Die Mini-Bond-Krise ist zurück und auf den Aktienmärkten geht es turbulent zu. Für CFOs stellt sich damit auch 2016 die Frage, auf welchen Märkten sie sich jetzt noch finanzieren können. Eine relativ neue Lösung für dieses Problem sind die sogenannten eigenkapitalneutralen Wandelanleihen, auch non-dilutive Convertibles („No-Cos“) genannt. In Deutschland hat sich bisher nur ein Unternehmen an die No-Cos gewagt: Fresenius. Im Frühjahr 2014 emittierte der Konzern diese Anleihe über 500 Millionen Euro, die der letzte Baustein für die Finanzierung des Rhön-Kliniken-Kaufs war.
Das Besondere an diesem speziellen Bond: Wenn es zu einer Wandlung in Aktien kommt, werden die Anteile der Aktionäre nicht verwässert, weil eine Kapitalerhöhung nicht notwendig ist. „Fresenius hat bei einer Bank Call-Optionen auf eigene Aktien gekauft, die es zum Zeitpunkt der etwaigen Wandlung einsetzen kann. Dadurch ist dieses Finanzierungsinstrument schlussendlich eigenkapitalneutral“, erklärt Armin Heuberger, Leiter des Equity-Capital-Markets-Geschäfts der UBS in Deutschland und Österreich. Den Investoren hatte die Konstruktion damals offenbar sehr zugesagt, denn der Bond war so überzeichnet, dass er aufgestockt wurde.
Eigenkapitalneutrale Wandelanleihen können günstiger sein
Für Emittenten kann ein solcher Bond noch weitere Vorteile haben: Obwohl sie zunächst Extra-Kosten durch den Kauf der Call-Option haben, ist der eigenkapitalneutrale Bond zur Zeit oft günstiger als eine gewöhnliche Anleihe, denn der eigenkapitalneutrale Bond wird aufgrund des niedrigen Zinsumfelds mit einem sehr niedrigen Kupon ausgegeben – im Fall von Fresenius lag er sogar bei null Prozent.
Trotz der möglichen Vorteile ist es seit Fresenius in Deutschland wieder still geworden um den speziellen Bond. Fresenius ist bislang sogar das einzige deutsche Unternehmen, dass sich an einen No-Co herangewagt hat. Etwas anders sieht es im restlichen Europa aus: Erst im Januar emittiere der französische Anlagebauer Technip eine Wandelanleihe mit Call-Option über 375 Millionen Euro, und im November platzierte der französische Ölriese Total 1,2 Milliarden US-Dollar.
In Großbritannien haben sich ebenfalls zwei Unternehmen daran versucht: Im November sammelte Vodafone 600 Millionen Pfund ein, im September konnte der Übertragungsnetzbetreiber Nationalgrid 400 Millionen Pfund einsammeln. In Spanien platzierte der Stromerzeuger Iberdrola 500 Millionen Euro mit dem eigenkapitalneutralen Bond.
Je volatiler und illiquider die Aktie, desto schwieriger
Die hohen Summen und Vorteile klingen verlockend, doch der eigenkaptalneutrale Bond ist nicht für jedes Unternehmen geeignet. Ist der eigene Aktienkurs beispielsweise stark volatil, ist der Preis, der für den Erwerb der Call-Option bezahlt werden muss, entsprechend hoch – dann ist es fraglich, ob es wirklich noch zu einem nennenswerten finanziellen Vorteil im Vergleich zu gewöhnlichen Bonds kommt.
Außerdem: Die Volumina in der Aktie müssen auch entsprechend hoch sein, damit die Bank bereit ist, Optionen in dieser Größenordnung zu Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund steht diese Finanzierungsform eher größeren Mid-Cap- und Large-Cap-Unternehmen zur Verfügung. Für den Small- und kleineren Mid-Cap-Bereich kann eine gewöhnliche Wandelanleihe dann doch attraktiver sein.
Dass sich bislang nur wenige Konzerne für die exotisch anmutende Finanzierung entschieden haben, könnte daran liegen, dass sie durchaus aufwendig sein kann – insbesondere dann, wenn es seitens des Unternehmens bislang keine Berührungspunkte gab. „Wenn sich ein Unternehmen mit dem Thema bislang noch gar nicht befasst hat, kann die Vorbereitungszeit mehrere Wochen in Anspruch nehmen“, sagt Armin Heuberger. Trotz der finanziellen Vorteile ist daher die Mehrheit der Unternehmen derzeit offenbar nicht bereit, den Aufwand zu stemmen.
Der eigenkapitalneutrale Bond kann dennoch eine gute Ergänzung im Finanzierungsmix sein, ist sich Heuberger, der sich erst kürzlich im Talk mit FINANCE-TV zur Lage an den Equity-Märkten geäußert hat, sicher. Die aktuelle Lage auf den Bondmärkten könnte den ein oder anderen Emittenten womöglich tatsächlich davon überzeugen.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.