Zahlreiche Emittenten aus den unterschiedlichsten Branchen haben auch im ersten Halbjahr 2014 den Schuldscheinmarkt angezapft. Dennoch liegt das Gesamtvolumen der Emissionen leicht unter den Werten der ersten sechs Monate der vergangenen Jahre. Verschiedenen Experten zufolge wurden im ersten Halbjahr 2014 in rund 30 Transaktionen insgesamt 3,5 Milliarden Euro platziert. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es etwa 41 Transaktionen mit insgesamt 4 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr 2012 sogar rund 45 Transaktionen über insgesamt 6,4 Milliarden Euro.
Die Liquidität im Markt ist größer als der Finanzierungsbedarf der Unternehmen. Der vierte Schuldschein der Klinikgruppe Sana hatte ein Volumen von 300 Millionen Euro. Ursprünglich hatten die Münchener nur 75 bis 100 Millionen Euro platzieren wollen, sie haben aber aufgrund der starken Nachfrage ihre Pläne geändert. Der Schuldschein war um das Sechsfache überzeichnet.
„Der Großteil der Schuldscheintransaktionen ging mit Volumina von 30 Millionen Euro bis 100 Millionen Euro in die Vermarktung und das durchschnittliche Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2014 lag unter dem des Vorjahreszeitraumes“, sagt Christoph Degen aus dem Debt-Capital-Market-Bereich der SEB. „Jedoch haben wir zuletzt auch wieder mehr Platzierungen im unteren dreistelligen Millionenbereich gesehen“.
Kleine Unternehmen wagen sich an den Schuldscheinmarkt
Aber nicht nur bekannte Schuldscheinemittenten haben den Markt angezapft. „Auffällig und erfreulich ist, dass verstärkt kleinere und unbekanntere Adressen den Schuldscheinmarkt als neue Refinanzierungsquelle nutzen“, sagt Andreas Petrie, Leiter Primary Markets bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Zum Beispiel hat der ITK-Dienstleister QSC unter der Regie von Finanzchefin Barbara Stolz in diesem Frühjahr erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Schuldschein platziert.
Verglichen mit den Jahren zuvor waren aber in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nicht mehr Debütemittenten als sonst auf dem Schuldscheinmarkt aktiv. Da waren das Jahr 2012 und das erste Halbjahr 2013 deutlich mehr von Erstemissionen geprägt. „Das ausgeglichene zahlenmäßige Verhältnis Debütemittenten zu Wiederholungsemittenten unterstreicht den nachhaltigen Trend der Desintermediation für mittelständische Unternehmen“, sagt Ingo Nolden, Co-Head of Debt Capital Markets bei der HSBC in Deutschland. Im Klartext: Immer mehr Unternehmen finanzieren sich über den Kapitalmarkt und nicht nur über den Bankkredit.
Viele der Emittenten suchen aber weniger eine neue Finanzierungsquelle. Stattdessen wollen sie bestehende Papiere günstiger refinanzieren. „Seit dem zweiten Halbjahr 2013 und noch einmal verstärkt im ersten Halbjahr 2014 nutzen Teilnehmer den Markt in größerem Maße für Refinanzierungen“, sagt Christoph Zender, Leiter Corporate Capital Markets bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Aufgrund des nach wie vor sehr hohen Angebots seitens Investoren mit entsprechendem Druck auf die Spreads sowie der aktuell stark rückläufigen Swapsätze in Folge der jüngsten EZB-Maßnahmen beobachtet die Landesbank aktuell den Trend zur vorzeitigen Refinanzierung von Schuldschein-Emissionen. Damit einher gehe auch eine Fundingverbilligung für Unternehmen.
Kommunen entdecken Schuldschein für sich
Das günstige Marktumfeld ist derzeit für viele Schuldscheinemittenten das schlagende Argument. Andreas Petrie von der Helaba geht für 2014 zwar von einem moderatem Emissionsjahr mit einem seitwärts gerichtetem Gesamtvolumen aus. Aber es gibt noch einige Wachstumstreiber, die das zweite Halbjahr prägen könnten. Einer davon sind deutsche Kommunen, die gerade den Schuldscheinmarkt für sich entdecken.
Den befragten Bankern zufolge haben rund ein halbes Dutzend Kommunen und kommunalnahe Versorger im ersten Halbjahr den Schuldscheinmarkt genutzt. Die Stadt Offenbach hat beispielsweise einen Schuldschein über 140 Millionen Euro bei einem süddeutschen Versorgungswerk platziert. Mit dem Geld will die Stadt Kassenkredite ablösen und sich gegen steigende Zinsen absichern. Dafür nahm sie einen „strategischen Preis“ – sprich höhere Zinsen als bei einem Kommunalkredit – in Kauf.
Im Mai hatten die Städte Bielefeld (Volumen: 90 Millionen Euro, drei Tranchen mit Laufzeiten von fünf, sieben und zehn Jahren) und Leipzig (Volumen: 28 Millionen Euro, 20 Jahre Laufzeit) ihr Debüt am Schuldscheinmarkt gegeben. Die Stadt Leipzig hatte sich für ein Schuldscheindarlehen entschieden, weil es am günstigsten war – es war etwa 0,1 Prozentpunkte günstiger als das entsprechende Kommunaldarlehen. „Die Zinsersparnis über die gesamte Laufzeit beträgt rund 280.000 Euro“, sagte das Dezernat Finanzen im Frühjahr. Die HSBC geht davon aus erwarten, dass die Kommunen bis zu 30 Prozent ihres Finanzierungsbedarfes über Kapitalmarktinstrumente abdecken werden.
Aber auch von internationaler Seite gibt es Interesse am traditionell deutschen Schuldscheinmarkt. Bereits im ersten Halbjahr haben etwa zehn ausländische Emittenten den Schuldscheinmarkt angezapft. Die HSBC erwartet, auch im zweiten Halbjahr wieder neue Länder und Regionen im Schuldscheinmarkt zu sehen.
Das bestätigt auch die Mittelstandsbank IKB: Neben den ausländischen Emittenten sieht Tilo Kraus, Head of Financial Markets bei der IKB, insbesondere auch Emittenten mit einem Rating im Crossover-Bereich bis BB, aber auch Unternehmen aus dem Immobiliensektor als mögliche Wachstumstreiber. „Wir erwarten, dass sich das Emissionsvolumen im zweiten Halbjahr noch einmal um rund 4 Milliarden Euro erhöht.“ Ein weiterer Wachstumstreiber könnten auch verstärkte M&A-Aktivitäten sein.
Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.