Wir schreiben das Jahr 1932, es tobt die Weltwirtschaftskrise, es herrscht das soziale Elend, und US- Präsident Franklin D. Roosevelt stellt eine klare Forderung auf: „The country demands bold, persistent experimentation. It is common sense to take a method and try it: If it fails, admit it frankly and try another. But above all, try something!“ Ganz klar, Roosevelt hätte große Freude an extrem aktivistischen Zentralbankern wie EZB-Chef Mario Draghi gehabt.
Milton Friedman dagegen würde mit Sicherheit alarmiert gegen die heutigen Geldpolitiker aufstehen: Er geißelte alle Versuche der Notenbanker, den Konjunkturzyklus symmetrisch zu glätten, als sinnlos. Da „long and variable lags“ den Transmissionsmechanismus monetärer Impulse befallen und damit zu einer unkontrollierbaren Größe machen, sei es besser, die Zentralbanker durch eine feste Regel zum Nichtstun zu verdammen.
Draghi? Ein Aktionist, kein Elfmetertöter
Erleben wir heute, fast 80 Jahre nach der schweren Weltwirtschaftskrise, erneut einen geldpolitischen Aktionismus wider besseres Wissen? Die Ursache für den aktuell weltweit zu beobachtenden Aktionismus der Zentralbanken liegt in jedem Fall auch in dem Verhalten moderner Informationsgesellschaften. Vor aller Augen nichts tun ist regelmäßig keine Option – wie zum Beispiel beim Elfmeter im Fußball.
Statistiken zeigen, dass der Torhüter beim Elfmeter in nur gut 6 Prozent aller Fälle nichts tut und auf der Linie stehen bleibt, während die Wahrscheinlichkeit, dass der Schütze genau geradeaus schießt, immerhin fast 30 Prozent beträgt. Nichtstun wäre also in knapp 30 Prozent der Fälle die richtige Strategie, um den Elfmeter zu halten. Aktiv in die falsche Ecke sieht aber nach überlegtem Einsatz aus, jedenfalls besser, als sich als Nichtstuer auf der Linie vor Millionen Zuschauern zu blamieren, wenn der Ball rechts oder links neben einem einschlägt.
Im gleißenden Scheinwerferlicht der Mediengesellschaft stehend, ist Nichtstun heutzutage natürlich auch für Zentralbanker keine Option mehr. Ihre Untätigkeit würde als herzlos und selbstzerstörerisch beurteilt werden. Wir als Mediengesellschaft sind also auch mit schuld, wenn Zentralbanker überlegen, geldpolitische Experimente wie QE mit risikobehafteten Staatsanleihen in ihren Standardwerkzeugkasten aufnehmen, ohne bislang die Nebenwirkungen umfänglich zu kennen.
Gold? Ein Mythos, keine Lösung
Es ist außerdem unsere eigene Schuld, wenn wir medienerfahrenen libertären Ökonomen, Publizisten und anderen Befürwortern einer Geldreform auf dem Leim gehen und ihre Lieblinge Gold oder Bitcoin gegen (gute) Euros tauschen.
Was soll das mit dem Gold? Industrie und Medizin verbrauchen inklusive Zahnersatz nur einen Bruchteil der weltweiten Jahresfördermenge an Gold. Auch die Schmucknachfrage kann es nicht richten. Kein Wunder, dass wir ein anhaltendes Überangebot und immer weiter fallende Goldpreise erleben, obwohl Gold ja eigentlich – wie man behauptet – die ideale Absicherung gegen die aktionistische Geldpolitik von EZB, Fed und Bank of Japan wäre.
Die letzte Hoffnung der Gold Bugs ist die Restaurierung eines Goldstandards, eine verklärte Reise in die Welt von gestern. Damals gab es über lange Zeit die die fast religiöse Überzeugung breiter Bevölkerungsschichten, dass der Goldpreis unantastbar sei und niemals verändert würde. Später hat die Historie dann brutal gezeigt, dass im Falle von wirtschaftlichen Schwierigkeiten die einzige Frage war, wie schnell sich entweder der Goldpreis ändern oder die Goldbindung aufgegeben werden würde.
Bitcoins? Das Konzept ist ein schlechter Witz
Auch beim Computergeld Bitcoin läuft es nicht gut. Gestartet als libertärer Traum, in dem dezentral an Millionen von PCs ohne staatliche Kontrolle elektronische Zahlungsmittel produziert werden, haben Bitcoins auf Jahresbasis eine noch grottenschlechte Performance abgeliefert, noch vor den Rohstoffwährungen.
Auch das ist kein Wunder, wenn man sich – genau wie beim Gold – einmal das „Marktdesign“ der Bitcoins vor Augen führt. Bitcoin-Schürfer erhalten ihren Lohn in Form neuer Bitcoins immer dann, wenn ihr Rechner eine ständig wachsende kryptographische Prüfsumme berechnet und dann Transaktionen bestätigt. Die neuen Bitcoins dienen den Schürfern also als Kompensation für die Bereitstellung von immer leistungsfähigerer Computer-Hardware und steigendem Elektrizitätsbedarf.
Im Ergebnis werden Arbeitslohn, Elektrizität und die Abschreibung auf Hardware in elektronische Tauschmittel verwandelt. Ganz ehrlich, das ist ein ziemlich teurer und ineffizienter Prozess, um ein neues Zahlungsmittel zu schöpfen. Wenig überraschend, was aus dem dezentralen Produktionsprozess der Bitcoins inzwischen geworden ist: Während viele Mining-Pioniere der ersten Stunde nur noch auf einen günstigen Ausstiegsmoment warten, hat sich die Produktion neuer Bitcoins inzwischen auf wenige Großcomputeranlagen an unwirtlich kühlen Orten mit niedrigen Stromkosten und laxen Umweltgesetzen verlagert. Es haben also ein paar wenige Hightech-Farmen in Island und Skandinavien, in Teilen Chinas und der Mongolei die Geldschöpfung der Bitcoin-Währung übernommen.
Gegen diesen Trend stemmen sich seit kurzem einige Jünger mit einer Abspaltung der Bitcoin-Software. Ihr Ziel ist eine vereinfachte, weniger rechneraufwendige Schürfung, die der Dezentralität wieder eine Chance gibt. Die neue Software würde angenommen, wenn 75 Prozent aller Schürfer diese in der Zukunft verwenden. Wie sich der Schürfermarkt entscheidet, ist vollkommen offen. Damit ist erst einmal ein neuer negativer Kurstreiber entstanden – neben den Verbindungen zu Schwarzgeld und organisierter Kriminalität sowie den Hackerangriffen auf Bitcoin-Tauschplattformen.
Folgen? Die langen Gesichter der Anleger
Als Fazit für beide Lieblinge libertärer Ökonomen stehen lange Gesichter bei den Anlegern von Gold und Bitcoins. Verdienen tun nur der Goldhandel, libertäre Publizisten und Verlage, Bitcoin-Schürfer der ersten Stunde – und die organisierte Kriminalität.
Angesichts dessen und der zahllosen Erfolgsmeldungen, die die Protagonisten der aktivistischen Geldpolitik in die Welt setzen, sind wir bei Draghi & Co doch in den besten Händen, oder? Leider bleibt aber auch den optimistischen Euro-Investoren das mulmige Gefühl, sich eines Tages doch an den französischen Film „La Haine“ erinnern zu müssen. In dem Film geht es in einer der finalen Szenen um einen Mann, der von einem Wolkenkratzer gefallen ist und sich beim Vorbeifliegen der Etagen bestärkt, dass ja bislang alles gut gegangen ist. Aber was am Ende zählt, ist nicht der Flug, sondern die Landung. Und die hat leider Gottes auch Draghi noch vor sich.